Reuters

Stahlsparte wird für Thyssenkrupp zum Fass ohne Boden

13.08.2020
um 13:42 Uhr

- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) - Nach dem Verkauf des lukrativen Aufzuggeschäfts schlagen bei Thyssenkrupp die Verluste der schwächelnden Stahlsparte immer stärker durch.

Die Nachfrage aus der Automobilindustrie sei im Zuge der Corona-Krise im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2019/20 weiter eingebrochen, teilte der Konzern am Donnerstag mit. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres fuhr Steel Europe einen operativen Verlust von rund 700 Millionen Euro ein - der mit Abstand größte Brocken des Konzernfehlbetrags von 1,12 Milliarden Euro. Thyssenkrupp halte sich für die Sparte alle Optionen offen, sagte Finanzchef Klaus Keysberg. Dazu gehören auch ein Verkauf oder eine Fusion.

Das Interesse auf Seiten der Konkurrenz dürfte durch die Geschäftsentwicklung nicht gestiegen sein. Im Gesamtjahr drohen Thyssenkrupp insgesamt operative Verluste in Höhe von 1,7 bis 1,9 Milliarden Euro - das Stahlgeschäft könnte mit einem Fehlbetrag von einer Milliarde Euro abschließen. Anleger liefen daraufhin davon. Die Aktie verlor zeitweise mehr als 15 Prozent an Wert.

Thyssenkrupp will im Stahl etwa 3000 der 28.000 Jobs streichen. Die Personalkosten der Stahlkocher liegen bei dem Essener Konzern im Jahr bei rund zwei Milliarden Euro. Weitere Stellenstreichungen könnten die Probleme allein kaum lösen, zumal dieser Posten nur etwa ein Viertel der Gesamtkosten ausmacht - hinter den Energie- und Rohstoffkosten.

CFO - WOHLSTAND IST NACH ELEVATOR-DEAL NICHT AUSGEBROCHEN

Kein Stahlhersteller erziele derzeit positive Ergebnisse, betonte Keysberg, fügte aber hinzu: "Dennoch sind wir sicherlich, was die Performance angeht, unter den anderen Stahlherstellern im Moment." Thyssenkrupp habe mit den Restrukturierungen beim Stahl zu spät begonnen, räumte er ein. Auf die Fragen nach einer möglichen Konsolidierung in der von Überkapazitäten geprägten Stahlbranche entgegnete Keysberg, der Konzern sei in Gesprächen. Details nannte er nicht. Der Manager wollte auch nicht den Stab über dem Stahlgeschäft brechen. Dies habe vor der Corona-Krise jahrelang positive Ergebnisse geliefert. Als mögliche Interessenten oder Partner gelten SSAB aus Schweden, die chinesische Baosteel oder ein erneuter Anlauf der im vergangenen Jahr gescheiterten Fusion mut Tatar Steel. Thyssenkrupp selbst macht sich für eine Deutsche Stahl AG mit Salzgitter stark, trifft jedoch bei den Niedersachsen auf Ablehnung.

In den übrigen Geschäften - hierzu gehören etwa der Anlagenbau, Autoteile und der Werkstoffhandel - sieht der Konzern Hoffnungsschimmer. "Abhängig von der Dynamik der gerade beginnenden Wiederaufnahme der Produktion bei Kunden erwartet Thyssenkrupp für das 4. Quartal mit möglicher Ausnahme von Steel Europe in nahezu allen Geschäften eine stabile Entwicklung oder eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorquartal." Gut läuft das Geschäft mit Verpackungsstahl oder mit Großwälzlagern für Windräder.

Luft hat sich der Konzern durch den 17,2 Milliarden Euro schweren Verkauf der Aufzugssparte verschafft. "Die Mittelzuflüsse durch die Elevator-Transaktion helfen uns in der aktuellen Situation natürlich sehr", erklärte Keysberg in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Mitarbeiter-Info. "Allein unser Eigenkapital ist dadurch um mehr als 14 Milliarden Euro gestiegen. Das ist eine enorme Erleichterung für unsere bisher extrem angespannte Bilanz." Thysenkrupp will mit den Einnahmen die Schulden zurückfahren, den Jobabbau finanzieren und neue Geschäfte aufbauen. Details blieben weiter offen. Keysberg machte gegenüber den Mitarbeitern aber klar: "Mit dem Abschluss des Verkaufs von Elevator ist hier nicht der Wohlstand ausgebrochen."

Salzgitter AG

WKN 620200 ISIN DE0006202005

thyssenkrupp AG

WKN 750000 ISIN DE0007500001