Reuters

Begrenzter Rechtsschutz für Corona-Impfstoffhersteller bremst Deals mit der EU

26.08.2020
um 14:37 Uhr

Brüssel (Reuters) - Die Europäische Union bietet den Corona-Impfstoffentwicklern Insidern zufolge nur einen teilweisen Schutz vor rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit möglichen Nebenwirkungen an.

Die EU-Regierungen seien angesichts der gegenwärtigen außergewöhnlichen Umstände bereit, bestimmte Risiken der Unternehmen finanziell abzudecken, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von einem EU-Vertreter. Die strengen Haftungsregeln der EU blieben jedoch bestehen. Danach haften Impfstoffhersteller und andere Unternehmen für ihre in der EU zum Verkauf stehenden Produkte, abgesehen von seltenen Fällen, in denen sie diese etwa nicht selbst in den Verkehr gebracht haben.

Da die potenziellen Covid-19-Impfstoffe wegen der Corona-Pandemie in Rekordzeit entwickelt werden, besteht ein höheres Risiko, dass sie unerwartete Nebenwirkungen haben oder möglicherweise nicht wirksam sind. Die finanzielle Übernahme der Haftung ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Gespräche der Arzneimittelhersteller mit Regierungen, die sich die noch in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe vorab sichern wollen. Die Haltung der EU zu Haftungsfragen könnte teilweise erklären, warum sie bislang hinter den USA bei der Sicherung potenzieller Corona-Impfstoffe hinterher hinkt.

Bislang hat die EU nur einen Liefervertrag über den Impfstoffkandidaten der britischen AstraZeneca und der Universität Oxford abgeschlossen. Dieser übernimmt die Haftung nur zum Teil und sieht vor, dass die Kosten geteilt werden, wie die belgische Arzneimittelbehörde über den Deal für alle 27 EU-Staaten, darunter auch Belgien, erklärte. Die USA haben sich dagegen schon die Impfstoffkandidaten von mehreren Firmen gesichert.

"ENDLOSE VERZÖGERUNGEN" VERMEIDEN

Das US-System sieht vor, dass die Regierung die Haftung für die Impfstoffe vollständig übernimmt und die Hersteller schützt. 30 Milliarden Dollar hat der US-Kongress für die Bekämpfung von Covid-19 bereitgestellt, einschließlich der Finanzierung der Impfstoffentwicklung und einer möglicherweise notwendigen Entschädigung. In der EU steht dagegen ein Notfallfonds von nur zwei Milliarden Euro parat, um die Impfstoffherstellern bei der Entwicklung und Haftungsfragen zu unterstützen.

Die Frage über die Übernahme der Haftung bremste Insidern zufolge die Gespräche der EU mit dem US-Konzern Pfizer und dessen deutschem Partner BioNTech sowie mit Johnson & Johnson über deren Impfstoffprojekte. Ein Sprecher der Europäischen Kommission wollte sich nicht dazu äußern, ob Haftungsfragen eine Hürde bei den Gesprächen waren. Der Europäischen Kommission zufolge sehen die Vorab-Kaufverträge vor, dass die Mitgliedstaaten die Hersteller von bestimmten Haftungsfragen freistellen. Näher wollte sich ein Vertreter der Kommission aber nicht äußern.

Der europäische Verband der Impfstoffhersteller, der Firmen wie AstraZeneca, Pfizer, Sanofi, GlaxoSmithKline und CureVac vertritt, erklärte, man arbeite mit den zuständigen Behörden zusammen, um sich auf ein Kompensationssystem zu einigen, um "endlose Verzögerungen" durch teure Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang zu vermeiden.

AstraZeneca PLC

WKN 886455 ISIN GB0009895292

GSK PLC

WKN 940561 ISIN GB0009252882

Johnson & Johnson

WKN 853260 ISIN US4781601046

Pfizer Inc.

WKN 852009 ISIN US7170811035

Sanofi S.A.

WKN 920657 ISIN FR0000120578