Reuters

Euro-Anstieg treibt EZB zunehmend um

17.09.2020
um 13:32 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Der Kursanstieg des Euro wird unter den Währungshütern der Europäischen Zentralbank immer mehr zum Thema.

Für die EZB kommt er höchst ungelegen, da die wirtschaftliche Erholung in der Euro-Zone immer noch von Unsicherheit geprägt ist. Zudem liegt die Inflation mit zuletzt minus 0,2 Prozent weiterhin weit von der Notenbank-Zielmarkte von knapp zwei Prozent entfernt. "Eine relativ flotte und heftige Schwankung des Wechselkurses beeinflusst die Inflationserwartungen und die Bedingungen, die die die Inflation bestimmen," sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Donnerstag auf einer Online-Veranstaltung. Der Wechselkurs sei eine fundamentale wirtschaftliche Variable, die Importe, Exporte, importierte Inflation oder Deflation beeinflusse.

Seit Mitte Mai ist die Gemeinschaftswährung zum Dollar um rund 9,5 Prozent gestiegen, aktuell steht der Euro bei 1,1804 Dollar. Damit werden Produkte aus dem Euro-Raum auf dem Weltmarkt tendenziell teurer, was ihre Wettbewerbsfähigkeit schmälert. Zudem werden importierte Produkte billiger, was auf die Inflation drückt. Die Einigung der europäischen Regierungschefs auf umfangreiche Aufbauhilfen nach der Corona-Krise hatte dem Euro einen Schub verliehen. Auf der anderen Seite leidet der Dollar unter anderem unter den Signalen der US-Notenbank Fed, die Zinsen noch sehr lange ultraniedrig zu halten.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte vor wenigen Tagen davor gewarnt, dass der Euro-Anstieg die Inflationserwartungen dämpft. Das von der EZB viel beachtete Barometer, der sogenannte Five-Year-Five-Year-Forward, liegt aktuell gerade einmal bei 1,2287 Prozent. Der Wert bedeutet, dass Investoren erwarten, dass die Inflation ab 2025 über einen Zeitraum von fünf Jahren lediglich bei etwas mehr als 1,2 Prozent liegen wird. Damit würde die EZB noch für Jahre ihr Inflationsziel verfehlen.

In das gleiche Horn stieß kürzlich auch EZB-Direktor Fabio Panetta, der die Maßnahmen der Zentralbank zur Bekämpfung der Corona-Krise als noch nicht ganz befriedigend bewertete. Denn Preisdruck und Inflationserwartungen blieben gedämpft, sagte er. Daher müsse die EZB achtsam sein "und sorgfältig die eingehenden Informationen bewerten, einschließlich Entwicklungen des Wechselkurses."

Wie wichtig der Euro-Kurs den Währungshütern inzwischen ist hatte vor einer Woche erst EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Zinssitzung aufgezeigt. Ihr zufolge war der Kursanstieg Thema auf der Ratssitzung. Zugleich hatte Lagarde aber betont, dass die EZB kein Wechselkursziel verfolge.