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Klare-Kante gegen Mitte-Mann - Erstes Schaulaufen der CDU-Kandidaten

21.09.2020
um 11:12 Uhr

- von Andreas Rinke

Hildesheim/Berlin (Reuters) - Bernd Althusmann und Friedrich Merz warten geduldig am Eingang der Halle 39 in Hildesheim, bis der Redner der Jungen Union seinen Vortrag beendet hat.

Erst dann setzen sich der niedersächsische CDU-Vorsitzende und der Kandidat für den CDU-Bundesvorsitz unter den Klängen von "Auf uns" von Andreas Bourani in Marsch. Die Mitglieder des JU-Landestages springen auf, rhythmisches Klatschen begleitet Merz auf dem Weg nach vorne. Alles wirkt wie ein Heimspiel für den stellvertretenden Präsidenten der Wirtschaftsrates, zumal Landeschef Althusmann Merz ihn begleitet. Einige Stunden, als mit Nordrhein-Westfalens Armin Laschet der zweite Kandidat im Rennen um den CDU-Vorsitz auftritt später ist Althusmann, nicht mehr anwesend. Dafür lümmelt nun JU-Chef Tilman Kuban am Bühnenrand.

Erstmals seit der durch die Corona-Krise erzwungenen Vertagung der CDU-Vorsitzenden-Wahl gibt es somit in Hildesheim eine Art Schaulauf der Kandidaten - auch wenn die JU Niedersachsen den dritten Bewerber Norbert Röttgen gar nicht erst eingeladen hat. Immerhin hat die JU die Reden der beiden Kandidaten zeitlich so gelegt, dass sich Merz und Laschet nicht begegnen. Aber beide testen ihre Strategien in dem interparteilichen Wahlkampf: Merz redet 23 Minuten lang staatsmännisch, will Ökologie und Ökonomie vereinen und fordert, dass Deutschland in Europa und der Welt selbstbewusster auftreten soll. Deutschland müsse die "Sprache der Macht" lernen. Die Union werde im kommenden Jahr nur für nach vorne weisende Konzepte gewählt, nicht aus Dankbarkeit für die letzten Jahre. Und er polarisiert. "Mit Olaf Scholz haben wir in Deutschland den teuersten Kanzlerkandidaten, den es in der Geschichte Deutschlands jemals gegeben hat", giftet er Richtung SPD-Kanzlerkandidaten.

Doch richtig überspringen will der Funke nicht. Karoline Czychon, ein junges CDU-Mitglied aus Hannover, will wissen, wieso Merz so viel über die Welt, aber wenig über die CDU geredet habe. Dabei wollten die Delegierten doch wissen, wieso er der bessere CDU-Chef sein soll. Merz geht darauf nicht ein - erntet aber Applaus für die Aussage, dass er für einen CSU-Kanzlerkandidaten keine Chance sehe.

Als CDU-Vize Laschet um 14 Uhr in die Halle stürmt, lässt die JU "Hoch" von Tim Bendzko spielen - wieder springen die JU-ler auf, wieder rhythmisches Klatschen. Laschet macht klar, dass er sich gar nicht erst bei der jungen Unions-Truppe anbiedern will, die in den vergangenen Jahren einen zunehmend konservativen Touch bekommen hat. Laschet startet mit dem spöttisch-anerkennenden Kommentar, dass bei dem Niedersachsentag doch erstaunlich viele junge Frauen auf der Bühne säßen - eine Anspielung auf den Männer-Überhang in vielen JU-Verbänden. Dann verteidigt er ausdrücklich die bei der Jugendorganisation nicht populären Pläne für eine verbindliche Frauenquote in der CDU.

Vor allem aber skizziert Laschet 34 Minuten lang neben seiner Rolle als Coronakrisen-Manager, wie er auf dem Bundesparteitag in Stuttgart Anfang Dezember die Wahl gewinnen will - mit einem betonten Mitte-Kurs, der Anti-Polarisierung. "Wir müssen ausstrahlen: Wir wählen jetzt nicht den Bruch mit Merkel - wir wählen eine Kontinuität", sagte er - in Anspielung darauf, dass seinem Kontrahenten Merz unterstellt wird, genau dies nicht zu wollen. Dann bringt er sein zweites Werbe-Argument an: Er lebe mit dem alle Flügel der CDU umfassenden Kabinett in Nordrhein-Westfalen doch den Weg für den Bund vor. Am Ende bekommt Laschet wie zuvor Merz stehenden Ovationen - und dieses Sympathie-Patt in Hildesheim ist vielleicht die größte Überraschung bei dem ersten Wahlkampf-Testlauf.