Reuters

Gorleben wird kein Atommüll-Endlager - Bayern wehrt sich

28.09.2020
um 14:27 Uhr

- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager für Deutschland scheidet das niedersächsische Gorleben aus, dafür rücken weite Teile Bayerns in den Blickpunkt.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) schloss in ihrem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht die Gesteinsschichten unter Gorleben als instabil aus: "Der Salzstock Gorleben wird daher nicht bei den weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen betrachtet." Dafür kommt unter anderem Bayern in die Diskussion, da das Granitgestein dort grundsätzlich als geeignet für ein unterirdisches Lager für hochradioaktiven Müll genannt wird. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte den Auswahlprozess scharf und nannte den Ausschluss Gorlebens unverständlich. Bundesumweltministerin Svenja Schulze warnte hingegen vor politischem Einfluss: "Das Verfahren ist gut, es verdient Vertrauen."

Die BGE hat allein aufgrund der geologischen Bedingungen rund 90 mögliche Standorte in Ton-, Salz- und kristallinen Gesteinsformationen wie Granit aufgelistet. Andere Kriterien wie Besiedlung oder Bebauung spielten in diesem ersten Schritt noch keine Rolle. Die BGE hält Deutschland insgesamt als Standort für geeignet: "Deutschland ist gesegnet mit einer guten Geologie", sagte Geschäftsführer Steffen Kanitz. Eine Abstufung zwischen den genannten Regionen und Gesteinsformationen wurde noch nicht vorgenommen. In weiteren Phasen wird die Auswahl weiter eingeschränkt, so dass bis 2031 die Entscheidung für den Standort fallen soll. Für 2050 ist geplant, das Endlager in Betrieb zu nehmen. In jedem Schritt bis zur Festlegung des Standortes sollen Bürger angehört und beteiligt werden. Überwacht wird der Prozess zudem durch ein sogenanntes nationales Begleitgremium mit Wissenschaftlern und anderen Berufsgruppen.

Neben Bayern und anderen Gebieten in Niedersachsen hat die Endlager-Gesellschaft auch Baden-Württemberg sowie große Teile Ostdeutschlands auf der Liste. Das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Teile des Ruhrgebiets finden sich dagegen dort nicht. Dieses scheidet wegen der zahlreichen alten Bergwerke aus, die das Gebiet geologisch unsicher machen. Insgesamt kommt in dieser Phase mehr als die Hälfte Deutschlands grundsätzlich als Standort infrage.

SÖDER STELLT PROZESS INFRAGE - SCHULZE WARNT

Bayerns Ministerpräsident Söder kritisierte: "Wenn man breit angelegt diskutieren möchte, bleibt die Frage, warum man Gorleben fundamental ausschließt", sagte er. Die BGE habe dies nicht ausreichend begründet. Er verwies darauf, dass nun zwei Drittel von Bayern als grundsätzlich geeignet gelte und deutschlandweit mehr als die Hälfte der Fläche. "Ich befürchte, dass sehr viele Menschen jetzt sehr verunsichert sind." Unverständlich nannte es Söder auch, dass ein Endlager für eine Million Jahre ausgelegt werden soll. Das sei eine "mutige und interessante Einschätzung". Die Gesteinsart Granit, die vor allem in Bayern vorkommt, sei dafür jedenfalls nicht sinnvoll.

Bundesumweltministerin Schulze forderte, politische Motive dürften die Suche nicht beeinflussen, es müsse streng nach Wissenschaftlichkeit vorgegangen werden. "Nur so kann es am Ende Akzeptanz für einen Endlagerstandort geben – egal, wo er dann in der Republik liegen wird", sagte die SPD-Politikerin. Die Umweltorganisation BUND verlangte eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit und Geld, um die Daten und Fakten überprüfen zu können. Die Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt" bemängelte, schon die Prozess-Kriterien seien politisch ausgehandelt worden. Daher ließen diese großen Spielraum für Interpretationen, sagte Sprecher Jochen Stay. "Neuer politischer Streit ist deshalb vorprogrammiert."

Nach dem das geplante Endlager Gorleben nach heftigen Protesten nicht weiter verfolgt wurde, hatten Bund und Länder 2017 eine komplett neue Suche mit weißer Landkarte gestartet - kein Gebiet sollte von vornherein ausgeschlossen sein. Wenn Ende 2022 das letzte AKW vom Netz geht, wird etwa 27.000 Kubikmeter hochradioaktiver Müll bleiben. Er soll in einer Tiefe von mindestens 300 Metern und einer Gesteinsschicht mit mindestens 100 Metern Mächtigkeit entstehen. Für den Müll wird ein Raum mit lediglich 30 mal 30 mal 30 Metern gebraucht. Von der gesamten Atommüll-Menge gelten nur 5 Prozent als hochradioaktiv. Auf dies entfällt jedoch 99 Prozent der gefährlichen Strahlung. Derzeit ist dieser Müll noch in Zwischenlagern, häufig an AKW-Standorten, direkt untergebracht. Von den Kosten für die Atommüll-Lagerung haben sich die Atomkonzerne mit einer Zahlung von gut 24 Milliarden Euro befreit, die jetzt in einem staatlichen Fonds angelegt sind.

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