Reuters

EZB startet Dialog mit Vertretern der Zivilgesellschaft

21.10.2020
um 13:17 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Zentralbank hat im Zuge ihrer Strategieüberprüfung den Startschuss für einen Dialog mit der Zivilgesellschaft und Nicht-Regierungsorganisationen gegeben.

Bei der ersten Gesprächsrunde mussten Notenbankchefin Christine Lagarde und Chefvolkswirt Philip Lane am Mittwoch zum Teil viel Kritik an der ultralockeren Geldpolitik einstecken. "Wir wollen nicht der Gefangene einer bestimmten Doktrin sein, wir wollen alle Stimmen hören", sagte Lagarde. Dieser Dialog sei ziemlich überfällig, ergänzte Lane. "Es ist so wichtig, dass die Öffentlichkeit die Zentralbank versteht und dass die Zentralbank die Öffentlichkeit versteht."

Die EZB hatte ihre geldpolitische Strategie letztmalig 2003 auf den Prüfstand gestellt. Ein Großteil der Kritik auf der Veranstaltung richtete sich darauf, dass die EZB mit ihren geldpolitischen Instrumenten am Ende die Reichen stütze und die Hilfe nur langsam in der Wirtschaft ankomme. Stanislas Jourdan von Positive Money Europe, die sich für eine Reform des Geld- und Bankensystems einsetzt, nannte die billionenschweren Anleihenkaufprogramme. "Diese Programme scheinen ziemlich ineffektiv zu sein gemessen an ihrer Größe." Am Ende würden damit oft große Kraftstofffirmen oder multinationale Konzerne subventioniert, was den sehr Wohlhabenden ein Prozent zu Gute komme.

AUCH KLIMAWANDEL WAR THEMA

Martin Schmalzried von der Organisatíon Coface Families Europe, die die Interessen von Familien im Blick hat, bemängelte, dass die EZB erst über eine Reihe von institutionellen Schichten gehen müsse, bevor die Realwirtschaft und die Menschen erreicht würden. "Das ist gleichsam so als würde man versuchen, den Ozean aufzufüllen, indem man Wasser auf die Spitze des Mount Everest gießt." Andere Teilnehmer wiesen insbesondere auf die Folgen der jahrelangen Minizinspolitik für Sparer hin. Wolfgang Kuhn von ShareAction, die verantwortliche Investitionen fördern will, sieht dadurch die Glaubwürdigkeit des EZB-Mandats bei der Preisstabilität in Gefahr. "Von Menschen, die den Wert ihres Geldes abgeschwächt sehen im Namen der Deflationsbekämpfung. Menschen, die Geld sparen müssen, um Dinge anzuschaffen."

Manche Nichtregierungsorganisationen bemängelten zudem, dass die EZB zwar viel über die Bekämpfung des Klimawandels spreche, mit ihren Firmenananleihenkäufen aber die größten Klimasünder in Europa unterstütze. Dabei wurde vor allem auf das von den Währungshütern viel zitierte Prinzip der Marktneutralität bei den Käufen hingewiesen. Das Prinzip ist umsritten. Denn manche Experten sind der Auffassung, dass in den Kursen an den Finanzmärkten Klimarisiken nicht angemessen widergespiegelt werden.