Reuters

Schulen und Ausgangssperren bei Corona-Chefrunde strittig

19.01.2021
um 15:57 Uhr

- von Andreas Rinke und Sabine Siebold

Berlin (Reuters) - Bund und Länder wollen den Lockdown bis Mitte Februar verlängern.

Aber Maßnahmen wie Schulschließungen und Ausgangssperren waren vor den Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel mit den 16 Ministerpräsidenten weiter strittig. In einem neuen Entwurf des Kanzleramtes, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, wird der bisher bis zum 31. Januar bestehende Lockdown bis zum 14. Februar verlängert. Einig ist man sich danach auch, dass eine Verordnung mehr Homeoffice-Arbeit bringen soll und das Tragen medizinischer Masken im Öffentlichen Nahverkehr und Einzelhandel kommen soll. Umstritten sind dagegen weitere Auflagen für das Privatleben wie Ausgangsbeschränkungen sowie der Umgang mit Schulen.

Merkel und die Ministerpräsidenten begannen ihre Beratungen am frühen Dienstagnachmittag. Zuvor hatten die Ministerpräsidenten unter sich beraten. Die Länder sind für die Umsetzung der Auflagen zuständig. Die Verhandlungen werden einerseits vor dem Hintergrund fallender Zahlen an Corona-Neuinfektionen geführt, andererseits aber auch einer wachsenden Angst vor einer Ausbreitung hochansteckender Coronavirus-Mutationen. Mehrere Wissenschaftler hatten Merkel und die Ministerpräsidenten deshalb am Montag in einer Schalte aufgefordert, einen sehr viel härteren Kurs zu fahren, um die Zahlen sehr schnell und drastisch zu senken. Dies sei aber auf Widerstand etlicher Ministerpräsidenten gestoßen, die auch auf die nötige Akzeptanz der Bevölkerung bei der Umsetzung von Maßnahmen verwiesen, hieß es in Teilnehmerkreisen. Es gebe aber die generelle Sorge, dass die Zahl der Neuinfektionen wie in Großbritannien und Irland drastisch in die Höhe schießen und die Krankenhäuser überfordern könne.

Bund und Länder streben laut jüngsten Entwurf des Kanzleramtes etwa eine Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken im Öffentlichen Nahverkehr und im Einzelhandel an. Bayern hatte eine FFP2-Pflicht bereits eingeführt. Bundesweit soll es aber eine Pflicht zum Tragen "medizinischer Masken" geben - dies würde auch die wesentlich billigeren OP-Masken einschließen. In den Beratungen am Montag war auch darauf verwiesen worden, dass eine FFP2-Pflicht sowohl Versorgungsprobleme als auch soziale Härten mit sich bringen könnte. Die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken soll auch in Gottesdiensten gelten.

"SCHRITT IN DIE RICHTIGE RICHTUNG"

Die Arbeit zuhause soll ausgeweitet werden. "Dazu wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Verordnung erlassen, wonach Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen, sofern die Tätigkeiten es nach ihrer eingehenden Prüfung zulassen", heißt es in dem neuen Entwurf des Kanzleramtes. Dies stieß prompt auf Kritik der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).

Strittig sind zwischen Bund und Ländern weiter Einschränkungen im privaten Bereich wie der Umgang mit Schulen. Zwar schlägt das Kanzleramt vor, die Vorschriften für Kontakte im privaten Bereich nicht weiter zu verschärfen. Allerdings sollten bisher für Corona-Hotspots geltende zusätzliche Auflagen wie Ausgangssperren oder die Begrenzung des Bewegungsradius von 15 Kilometern generell ausgeweitet werden, schlägt das Kanzleramt vor. Zudem sollten die Schulen bis zum 15. Februar "grundsätzlich" geschlossen bleiben. Beide Passagen waren in einem Reuters vorliegenden Papier der SPD-geführten Länder abgelehnt worden und sind im neuen Entwurf mit eckigen Klammern versehen. Das bedeutet, dass die Passagen strittig sind. Die Kultusminister hatten schon bei der Runde am 5. Januar darauf verweisen, dass zumindest Grundschulen mit Wechselunterricht wieder öffnen sollten. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dem Sender n-tv dagegen, die bisher diskutierten Maßnahmen seien "ein Schritt in die richtige Richtung", reichten aber nicht aus. Er plädierte für Ausgangsbeschränkungen.

RKI MELDET SINKENDE ZAHLEN

Vor dem Spitzengespräch verstetigte sich der Trend sinkender Zahlen bei den Neuinfektionen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag 11.369 Corona-Neuinfektionen - gut 1400 weniger als eine Woche zuvor. Die Zahl läge ohne die Nachmeldungen von Montag sogar unter der Schwelle von 10.000. Die Zahl der Corona-Toten ist allerdings weiter auf einem hohen Niveau: 989 weitere Menschen starben in Verbindung mit dem Virus. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz, also die rechnerische Fallzahlen von Neuinfektionen über eine Woche pro 100.000 Einwohner, sank laut RKI weiter auf 131,5 von zuletzt 134. Sie ist damit aber immer noch weit von dem Zielwert von 50 entfernt, den Bund und Länder ausgegeben haben, um das Virus unter Kontrolle zu bringen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Die Zahl der gemeldeten Corona-Intensivpatienten sank laut Divi-Register erneut leicht auf 4930.