Reuters

IWF - Ohne Staatshilfen wäre jedes neunte Unternehmen pleite

19.01.2021
um 16:47 Uhr

München/Frankfurt (Reuters) - Ohne die milliardenschweren Staatshilfen und die Aussetzung der Insolvenzpflicht wäre in der Corona-Krise nach Schätzungen des IWF etwa jedes neunte Unternehmen in Deutschland in die Pleite gerutscht.

Davon wären allerdings vor allem kleine Firmen betroffen, erklärte der Internationale Währungsfonds (IWF) am Dienstag in Washington. Nur rund zweieinhalb Prozent der Unternehmenskredite wären damit gefährdet gewesen. In der Hotel- und Gastronomie-Branche hätten allerdings rund 30 Prozent ihre Schulden nicht mehr bedienen können, weil ihnen die Einnahmen wegbrachen. Der Ausstieg aus den Stützungsmaßnahmen werde für Deutschland allerdings zu einem "Balanceakt" und schmerzhaft, warnte IWF-Experte Shekhar Aiyar.

Der Staat müsse einen sanften Übergang zur Normalität ermöglichen, indem er - etwa von erzwungenen Schließungen zur Eindämmung der Pandemie - stark betroffene Unternehmen weiter stütze und das Ende für nicht lebensfähige Firmen erleichtere, heißt es in der IWF-Analyse. Sanierungsexperten mahnen, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht derzeit auch Unternehmen schütze, die auch ohne die Corona-Krise keine Überlebenschance hätten. Die befürchtete Insolvenzwelle war jedoch ausgeblieben, als zahlungsunfähige Unternehmen zwischen Oktober und Dezember wieder Insolvenz anmelden mussten. In der Bundesregierung wird debattiert, ob die Antragspflicht über Ende Januar hinaus verlängert werden soll, weil die Hilfen für die Umsatzausfälle im November und Dezember nur zäh fließen.

Ein Teil der Staatshilfen wird in Form von Krediten gezahlt. Experten warnen, dass das die Unternehmen langfristig schwächen könnte. "Ich fürchte, dass die niedrigen Eigenkapitalquoten die deutsche Wirtschaft über Jahre hinaus belasten werden", sagte Michael Baur, Europachef der Unternehmensberatung Alix Partners, der Nachrichtenagentur Reuters. Bei vielen Firmen habe durch die hohen Verluste und die steigenden Schulden "eine komplette Kernschmelze stattgefunden". Aber noch mehr Fremdkapital sei keine Lösung, weil die Unternehmen dadurch in eine Sackgasse gerieten. Wenn sich ihr Geschäft nach der Krise nicht schnell erhole, "könnte ein nächster Sturm die wackligen Dächer vieler Unternehmen ganz abdecken".

Sanierungsexperte Baur plädiert daher für Erleichterungen für Eigentümer, aber auch neue Investoren, die den Unternehmen frisches Geld zur Verfügung stellen, um die zu dünn gewordene Eigenkapitaldecke wieder aufzufüllen. "Der Staat könnte zum Beispiel bei Sanierungs-Kapitalerhöhungen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Kapitalsertragsteuer verzichten", schlägt Baur vor.