Reuters

Länder öffnen Grundschulen - Merkel fordert Massen-Tests

22.02.2021
um 12:22 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Ungeachtet der Sorgen vor der Ausbreitung von Coronavirus-Varianten beginnen in Deutschland weitere Öffnungsschritte: Am Montag gab es in zehn Bundesländern wieder Präsenzunterricht an Grundschulen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierte im CDU-Präsidium dafür, dass weitere Lockungsschritte mit umfangreichen Tests abgesichert werden müssten, wie die Nachrichtenagentur Reuters von Teilnehmern erfuhr. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte für Anfang nächster Woche weitere Lockerungen an. Neben Friseuren dürften im Freistaat dann auch andere körpernahe Dienstleistungen wie etwa Fußpflege sowie Gärtnereien, Gartenmärkte und Blumenläden wieder aufmachen, sagte der CSU-Chef in München.

Merkel schlug im CDU-Präsidium nach Teilnehmerangaben vor, "Paketlösungen" in verschiedenen Segmenten anzustreben. Dies betreffe persönliche Kontakte, dann Regelungen für Schulen und Berufsschulen sowie drittens die Bereiche Sportgruppen, Restaurants und Kultur. Wichtig sei, dass weitere Öffnungsschritte angesichts der sich ausbreitenden Virusvarianten nicht zu erneuten Rückschlägen bei den Infektionszahlen führten, sagte sie den Teilnehmern zufolge. Ab Dienstag werde eine Arbeitsgruppe mit Kanzleramtschef Helge Braun und den Chefs der Staatskanzleien zu dem Thema tagen. Die Gruppe soll der nächsten Bund-Länder-Sitzung am 3. März ein Konzept vorschlagen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Montag 4369 Neuinfektionen. Das sind 57 Fälle weniger als am Montag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg allerdings erneut an auf 61,0 von 60 am Sonntag. Vor einer Woche hatte sie 59 betragen. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Ziel von Bund und Ländern ist ein Wert von 50, um das Gesundheitssystem zu entlasten, ab einem dauerhaften Wert von unter 35 haben sie weitere Öffnungen in Aussicht gestellt. Die regionalen Differenzen sind weiter sehr groß: Thüringen hat laut RKI einen Inzidenzwert von 126, Baden-Württemberg von nur 44. Nach Angaben des RKI starben 62 weitere Menschen nach einer nachgewiesenen Infektion mit dem Virus.

Kanzleramtschef Helge Braun warnte im CDU-Präsidium, dass die Erfolge bei der Corona-Bekämpfung durch die Ausbreitung der Virusvarianten zunichtegemacht würden. "Wir dürfen keinen Blindflug machen", warnte auch CSU-Chef Söder trotz der angekündigten Öffnungsschritte. Er habe aber den Eindruck, dass die Bevölkerung in Deutschland gelassener mit dem Thema Öffnungen umgehe als die Politik: "Der ein oder andere verliert die Nerven." Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädierte im CDU-Präsidium erneut dafür, dass der Bund ein kostenloses Testen der Bevölkerung ab dem 1. März finanzieren sollte.

"DANN MUSS NATÜRLICH WIEDER GESCHLOSSEN WERDEN"

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) machte Geimpften ohne Ansteckungsrisiko für andere Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität. "Wenn wir wissen, dass die Impfung tatsächlich dazu führt, dass man nicht mehr infektiös ist, dann gibt es auch keinen Grund mehr, die Grundrechte einzuschränken", sagte die SPD-Politikerin den TV-Sendern RTL und ntv. Eine vorläufige israelische Studie hatte am Wochenende erstmals gezeigt, dass der Impfstoff von Biontech und Pfizer Ansteckungen anderer zu fast 90 Prozent verhindert. Lambrecht wies aber darauf hin, dass die Datenlage für Gewissheit noch nicht ausreiche.

Schleswig-Holstein kündigte an, dem Schulpersonal in den kommenden Wochen eine Impfung mit dem Wirkstoff von AstraZeneca anzubieten. Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Erzieher an Schulen sowie Kita-Kräfte müssten priorisiert geimpft werden, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) im Deutschlandfunk. Dafür solle, wie auch in Baden-Württemberg geplant, der Wirkstoff von AstraZeneca genutzt werden.

Die Gesundheitsminister von Bund und Länder wollen am Nachmittag entscheiden, ob Grundschullehrer und Erzieher eine höhere Priorisierung bei der Impfung bekommen. Spahn, Söder, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sprachen sich dafür aus. Die Schulöffnungen seien richtig, wichtig sei aber auch ein differenziertes Vorgehen, sagte Giffey.