Reuters

Zahlreiche Tote bei Protesten in Myanmar - "Ein Massaker"

03.03.2021
um 15:37 Uhr

(Reuters) - In Myanmar haben Einsatzkräfte bei landesweiten Protesten gegen den Militärputsch nach Angaben von Bürgerrechtlern am Mittwoch mindestens 18 Menschen getötet.

In mehreren Städten wurde ohne große Warnung mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen, wie Augenzeugen berichteten. "Es ist schrecklich, ein Massaker", schilderte die junge Aktivistin Thinzar Shunlei Yi die Lage gegenüber Reuters in einer Messenger-App. "Keine Worte können die Lage und unsere Gefühle beschreiben." Der Erzbischof von Yangon, Kardinal Charles Maung Bo, zog auf Twitter einen Vergleich zur gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989: "Das Land ist wie der Tiananmen-Platz in den meisten großen Städten."

Allein in Monywa im Landesinneren wurden Medienberichten zufolge fünf Menschen getötet und mindestens 30 weitere verletzt. In der Metropole Yangon starben Augenzeugen zufolge mindestens drei Menschen, als Sicherheitskräfte mit automatischen Waffen am frühen Abend auf die Menge schossen. "Ich hörte so viel Dauerfeuer. Ich legte mich auf den Boden, sie schossen viel, und ich sah, wie zwei Menschen auf der Stelle getötet wurden", sagte der 23-jährige Demonstrant Kaung Pyae Sone Tun zu Reuters. Sicherheitskräfte lösten die Demonstration auf und nahmen etwa 300 Teilnehmer fest, wie die Nachrichtenagentur Myanmar Now meldete.

Auch aus der zweitgrößten Stadt Mandalay und aus dem Bergarbeiterdorf Hpakant im Norden sowie aus Myingyan im Zentrum Myanmars kamen Berichte über Tote. Ko Bo Kyi, der Co-Vorsitzende der Menschenrechtsgruppe AAPP, die sich für politische Gefangene einsetzt, teilte auf Twitter mit, dass insgesamt 18 Menschen am Mittwoch getötet worden seien. Insgesamt kamen seit dem Putsch am 1. Februar damit inzwischen etwa 40 Menschen ums Leben.

Ein von dem US-finanzierten Sender Radio Free Asia verbreitetes Video zeigte Polizisten, die drei Sanitätern in Yangon befehlen, einen Krankenwagen zu verlassen. Dann schießen sie die Windschutzscheibe ein und prügeln mit Knüppeln und Gewehrkolben auf die Arbeiter ein. Die Aufnahme ließ sich unabhängig nicht verifizieren. Fotos von einer 19-Jährigen, die in Mandalay erschossen wurde, zeigten sie in einem T-Shirt, auf dem geschrieben steht: "Alles wird gut".

"WIR WERDEN DAS ÜBERSTEHEN UND GEWINNEN"

Trotz der eskalierenden Gewalt wollen die Demonstranten nicht aufgeben. "Wir werden diesen Kampf fortsetzen und gewinnen. Wir werden das hier überstehen und gewinnen", sagte die Demokratie-Aktivistin Esther Ze Naw zu Reuters. Die Todesopfer würden nicht umsonst gewesen sein. "Wir wollen zeigen, dass niemand in diesem Land eine Diktatur will", sagte ein weiterer Aktivist.

Ein Sprecher des Militärrats war für eine Stellungnahme zu den Vorgängen zunächst nicht erreichbar. Seit das Militär die zivile Regierung abgesetzt hat, kommt es regelmäßig zu Massendemonstrationen. Fast 1300 Menschen wurden nach Angaben von Aktivisten festgenommen, darunter auch die De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Deren Partei hatte die Wahl im November klar gewonnen, doch das Militär erkennt den Sieg nicht an und spricht von Wahlbetrug. International wurde der Putsch von zahlreichen Staaten scharf verurteilt. Ein Schlichtungsversuch der Asean-Gruppe, in der sich südostasiatische Staaten zusammengetan haben, hatte am Dienstag aber keine Annäherung gebracht.