Reuters

Bundestag billigt EU-Schuldenaufnahme für Corona-Hilfstopf

25.03.2021
um 14:57 Uhr

Berlin (Reuters) - Der Bundestag hat mit großer Mehrheit die gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU für den Corona-Wiederaufbaufonds gebilligt.

478 von 645 anwesenden Abgeordneten stimmten am Donnerstag für den Gesetzentwurf, den sogenannten EU-Eigenmittelbeschluss. Damit soll der EU-Kommission erlaubt werden, für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Topf erstmals im großen Stil Schulden aufzunehmen. Der Regelung müssen alle EU-Regierungen zustimmen. Kritiker befürchten, dass aus der Sondersituation ein Dauerzustand werden könnte.

Union, SPD, Grüne und FDP hatten angekündigt, für den Plan zu votieren. 95 Abgeordnete stimmten dagegen, was die AfD in Aussicht gestellt hatte, 72 Enthaltungen wurden gezählt, mutmaßlich von den Linken. Überschattet wurde die Debatte von einem offenen Streit innerhalb der großen Koalition, wie die Beschlüsse zu werten sind. CDU/CSU halten die gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU für eine Ausnahme, die SPD wertet sie ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl als Weg in die Fiskalunion, eine gemeinsame Finanzpolitik aller EU-Länder inklusive gemeinsamer Schulden.

"Dieser Aufbaufonds ist ein einmaliges, zeitlich und im Zweck nach eng begrenztes Instrument", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Es sei ein wichtiger Beitrag, um die Pandemie gemeinsam zu bewältigen. Besonders stark von der Krise betroffene Länder wie Italien und Spanien sollen die höchsten Beträge aus dem Fonds bekommen. Die Gelder sollen zu einem großen Teil in Klimaschutz und Digitalisierung fließen - und die wirtschaftliche Erholung im Jahresverlauf anheizen.

Laut Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) sollen spätestens im Sommer Auszahlungen aus dem Fonds fließen. 14 EU-Staaten hätten die Pläne bereits ratifiziert. In Deutschland wird sich der Bundesrat am Freitag noch damit beschäftigen. Roth sagte, es sei ein überfälliger Schritt Richtung Fiskalunion. Auch Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte zuletzt deutlich gemacht, man solle die EU-Hilfen nicht als einmalige Aktion ansehen.

VERFASSUNGSKLAGEN ANGEKÜNDIGT

Die rechtspopulistische AfD kündigte in der Debatte im Bundestag eine Verfassungsklage an und forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. In Deutschland hätten 80 Prozent der verplanten Gelder gar nichts mit Corona zu tun.

Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW sagte, das Vorgehen sei zwar grundsätzlich richtig, weil einige hoch verschuldete Euro-Staaten so leichter an die nötigen Gelder zur Krisenbewältigung kämen. "Die Details des Eigenmittelbeschlusses haben es aber in sich." Deutschland akzeptiere de facto eine unbegrenzte Haftung für alle EU-Coronaschulden. Zudem fehlten verbindliche Regeln für eine zügige Tilgung. Und wichtige EU-Akteure seien für einen Einstieg in eine permanente EU-Verschuldung. "Der Bundestag hätte in seinem Zustimmungsgesetz deshalb viel mehr Sicherungen einbauen müssen."