Reuters

Merkel mahnt zum Testen und Ruhetagen über Ostern

01.04.2021
um 17:27 Uhr

Berlin (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft zum Verzicht von unnötigen Reisen an Ostern auf und dringt auf eine rasche Senkung der Corona-Neuinfektionen.

Nur bei niedrigen Fallzahlen könnten Infektionsketten nach Positivtests nachverfolgt werden, sagte sie in einer am Donnerstag veröffentlichten Videoansprache. Zugleich forderte Merkel systematisches Testen in Schulen und Kitas, Betrieben und Verwaltung. Das Land Berlin folgte dem Vorbild anderer Bundesländer und führte ebenfalls unter anderem nächtliche Ausgangsbeschränkungen ein. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ließ sich mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen und forderte die Bürger auf, Impfangebote wahrzunehmen. Der 71 Jahre alte Bundesinnenminister Horst Seehofer lehnte dagegen gegenüber der "Bild" eine Impfung mit dem Astrazeneca ab.

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz vergangene Woche war Merkel mit der Forderung nach nächtlichen Ausgangsbeschränkungen noch auf Widerstand vieler Länderchefs gestoßen. Aber das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete die ganze Woche stetig steigende Corona-Fallzahlen, was die Debatte in den Landesregierungen veränderte. Der Anteil der als ansteckender geltenden Virus-Variante B117 an Neuinfektionen beträgt zudem laut RKI mittlerweile 88 Prozent. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Karin Maag (CSU), pochte angesichts der Entwicklung auf einen "kurzen und harten" Lockdown nach Ostern.

Gegenwind kommt dagegen von Gerichten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied, dass Schuhläden zu den "für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäften" gehören, die auch in Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 öffnen dürfen. Sie hätten eine ähnlich große Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung wie Buchhandlungen, Baumärkte und Blumenläden. Die Landesregierung will die Auswirkung des Urteils nun prüfen. In Potsdam kippte das Verwaltungsgericht die Testpflicht beim Shoppen.

Weil sich nicht genug Menschen testen lassen, wollen Bayern und Niedersachsen eine Testpflicht in den Schulen. Der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) sagte, Schüler sollten zweimal die Woche verpflichtend zu Hause Selbsttests machen. Freiwilligkeit sei "prinzipiell nicht verkehrt", sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). "Aber die Bereitschaft zum Testen ist nicht so hoch, wie ich erwartet hätte", fügte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz im ZDF hinzu.

"DAS, WAS DA IST, SOLL VERIMPFT WERDEN"

Merkel bezeichnete das Impfen neben dem Testen als zweiten "handfesten Helfer" in der Pandemie. Gleich nach Ostern sollen deshalb nun 35.000 Hausärzte in die Impfkampagne einbezogen werden und in der ersten Woche 940.000 Impfungen verabreichen. Das kündigten Gesundheitsminister Jens Spahn und der Vorsitzende der kassenärztlichen Vereinigung, Andreas Gassen, an. In den ersten beiden Wochen sollen die Praxen zunächst Biontech-Impfstoff erhalten, danach zusätzlich Astrazeneca und dann Johnson & Johnson. Die Einbindung der Hausärzte hat auch in Nachbarländern wie Frankreich dafür gesorgt, dass das Impftempo erhöht wurde. Gassen sprach von bis zu 87.000 Ärzten, die Impfungen verabreichen könnten. Nach den Hausarztpraxen sollen auch Fach- und Betriebsärzte einbezogen werden. Die Impfstoffe sollen dann über Großhandel und die Apotheken verteilt werden.

Spahn forderte die Bundesländer zugleich auf, die Impfstoff-Lagerbestände abzubauen und wegen der zunehmenden Lieferungen keine Reserven für die Zweitimpfungen vorzuhalten. "Das, was da ist, soll verimpft werden", sagte er. Die Produktionsprobleme bei Johnson & Johnson, dem vierten in der EU zugelassenen Impfstoff, wirkten sich nicht auf Deutschland aus, sagte Spahn.

RKI meldete 24.300 neue Positiv-Tests, gut 1600 mehr vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz erhöhte sich auf 134,2 von 132,3 am Mittwoch. Der Wert gibt an, in wie vielen Fällen je 100.000 Einwohner Menschen in den vergangenen sieben Tagen positiv getestet wurden. 201 weitere Menschen starben, die positiv getestet wurden. Die Zahl der in Krankenhäusern registrierten Corona-Intensivpatienten stieg weiter auf 3718.

ASTRAZENECA PLC DL-,25

WKN 886455 ISIN GB0009895292

Johnson & Johnson

WKN 853260 ISIN US4781601046