Reuters

EU-Kommissar Schmit wirbt für Stärkung des Sozialsystems in EU

07.05.2021
um 09:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Vor Beginn des EU-Sozialgipfels in Porto hat Sozialkommissar Nicolas Schmit auf die Folgen der Corona-Pandemie vor allem für Jugendliche verwiesen und für eine Stärkung des EU-Sozialsystems geworben.

Die Krise wirke sich sehr auf die Arbeitsmöglichkeiten der Jugendlichen aus, sagte Schmit am Freitag im Deutschlandfunk. "Wir haben auch gesehen, dass Armut gestiegen ist.... Das ist durch Corona alles noch schlimmer geworden." Deshalb müsse das Sozialsystem der Europäischen Union gestärkt werden. Die EU wolle in der Sozialpolitik nicht mehr Kompetenzen, unterstrich Schmit. Am Ende seien es immer die Mitgliedstaaten, die die Politik umsetzten. "Was wir brauchen ist jetzt, dass die Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen, dass das Soziale nicht einfach unter den Tisch fällt, dass wir koordinierte Wirtschaftspolitik machen, aber auch koordinierte Sozialpolitik." Auch die Sozialpolitik brauche gemeinsame Standards.

Die Mittel des 750 Milliarden Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds gingen nicht nur in die Sozialpolitik, sondern in den Wiederaufbau und den Umbau der Wirtschaft, erklärte der Luxemburger EU-Kommissar. In vielen Bereichen müsse investiert werden, das gelte vor allem für den Klimawandel, die Digitalisierung und die Modernisierung der Infrastruktur. Aber es müsse auch in die Menschen investiert werden. "Neue Jobs bedingen auch neue Kompetenzen, und das ist eine große Herausforderung."

Einen europäischen Mindestlohn habe die EU nicht vorgeschlagen, sagte Schmit. Dieser sei unrealistisch. "Wir haben gesagt, wir brauchen in Europa... in verschiedenen Ländern bessere Mindestlöhne." Es sei aber klar, dass es zwischen Bulgarien mit derzeit rund 300 Euro Mindestlohn und Luxemburg mit 2300 Euro keinen einheitlichen europäischen Mindestlohn geben könne. "Aber wir glauben, dass im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten auch der Lebenshaltungskosten es Anpassungen nach oben geben kann."

Schmit zeigte sich überzeugt, dass Länder auf Dauer nicht allein über Lohnkosten konkurrenzfähig sein könnten. Auch sie müssten in Technologie und Kompetenz investieren. "Niedrige Löhne werden sie auf längere Sicht nicht konkurrenzfähig halten. Wir brauchen auch hier eine Anpassung der Lebensstandards. Wir können nicht einen Binnenmarkt haben, wo es solche großen Differenzen gibt. Das ist auch eine Gefahr für den Zusammenhalt Europas."

Zum Sozialgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Portugal sind auch Vertreter der Sozialpartner eingeladen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die soziale Dimension Europas gestärkt werden kann, um den Herausforderungen des Klimawandels und des digitalen Wandels gerecht zu werden und sicherzustellen, dass die Chancengleichheit für alle gewährleistet ist. Vermutlich wird es auch um den Vorstoß der USA gehen, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe befristet auszusetzen. Allerdings haben Bundesregierung, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Pharmafirmen dies bereits abgelehnt.