Reuters

Israel greift nach Raketenbeschuss Gaza an - Gewalt eskaliert

11.05.2021
um 09:57 Uhr

Gaza/Jerusalem (Reuters) - Im Nahen Osten eskaliert die Gewalt. Militante Palästinenser feuerten auch am Dienstag zahlreiche Raketen auf israelisches Gebiet.

Israels Luftwaffe griff am frühen Morgen Ziele im Gazastreifen an. Auch in Ost-Jerusalem, wo sich Palästinenser und israelische Sicherheitskräfte tagelang Auseinandersetzungen lieferten, blieb die Lage angespannt. Die EU verurteilte die Raketenangriffe auf Israel und rief zu Deeskalation auf. Die Gewalt im besetzten Westjordanland, inklusive Ost-Jerusalem, sowie in und um den Gazastreifen müsse sofort beendet werden, erklärte die EU-Kommission am späten Montagabend. Ähnlich äußerte sich US-Außenminister Antony Blinken.

Im Gazastreifen erbebten die Häuser durch den Einschlag israelischer Geschosse, während im Süden Israels die Sirenen heulten und vor Raketen warnten. Viele Israelis hatten die Nacht in Bunkern verbracht. Nach Angaben palästinensischer Behörden wurden mehr als hundert Palästinenser verletzt und zwei getötet. In Israel sprachen Mediziner von sechs Verletzten.

Bereits am Montag waren bei Beschüssen des Gazastreifens 20 Palästinenser getötet worden, darunter neun Kinder. Dutzende Raketen wurden auf Israel abgefeuert, meist aber abgefangen. Erstmals seit 2014 hatten militante Palästinenser aus dem Gazastreifen auch Jerusalem beschossen. Dazu bekannten sich die radikal-islamische Hamas und die kleinere militante Organisation Islamischer Dschihad. Sie hätten eine rote Linie überschritten, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

ÜBER 300 VERLETZTE BEI ZUSAMMENSTÖSSEN AN AL-AKSA-MOSCHEE

Die Eskalation der Gewalt nahm mit den Zusammenstößen an der Al-Aksa-Moschee in Ost-Jerusalem ihren Lauf. Nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmondes wurden über 300 Menschen verletzt. Die israelische Polizei sprach von 21 verletzten Beamten. Auch wenn die Gewalt abebbte, blieb die Lage gespannt.

Die Al-Aksa-Moschee liegt in der Altstadt auf einem Gelände, das die Juden Tempelberg und die Muslime das Edle Heiligtum nennen - es ist der heikelste Ort im seit Jahrzehnten anhaltenden israelisch-palästinensischen Konflikt. Israel betrachtet ganz Jerusalem als seine Hauptstadt, auch den palästinensischen Ostteil. Dessen Annexion durch Israel ist international nicht anerkannt. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines eigenen Staates im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen. Am Sonntag und Montag begingen Israelis den sogenannten Jerusalem-Tag, mit dem sie jedes Jahr an die Eroberung Ost-Jerusalems im Sechs-Tage-Krieg 1967 erinnern. Dies fällt diesmal zeitlich zusammen mit dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan.

Verschärft wurden die Spannungen durch Pläne, Häuser palästinensischer Familien im Stadtteil Scheich Dscharra in Ost-Jerusalem zu räumen. Das Land, auf dem sie leben, wird von jüdischen Siedlern beansprucht.

Eine Rolle dürfte auch die Konkurrenz zwischen den Palästinenser-Organisationen Hamas und Fatah spielen. Die Hamas regiert seit Jahren im Gazastreifen und hat wiederholt Raketen auf den Süden Israels gefeuert. Durch die Angriffe auch auf Jerusalem erhofft sich die Hamas wohl Zulauf im Westjordanland, wo die gemäßigtere Fatah von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas regiert. Abbas hatte erst Ende April die für 22. Mai geplante Parlamentswahl verschoben - es wäre die erste seit 15 Jahren gewesen. Beobachter hatten für die Hamas Zugewinne erwartet, sie reagierte entsprechend verärgert über die Absage. Auch die für Juli geplante Wahl des Palästinenser-Präsidenten wurde abgesagt. Der 85-jährige Abbas ist seit 2005 im Amt. Die Verschiebung hatte er mit Unsicherheit begründet, ob die Wahlen auch in Ost-Jerusalem abgehalten werden können.