Reuters

Notenbanker - EZB wird bei starkem Anstieg der Renditen einschreiten

01.06.2021
um 07:47 Uhr

Rom (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) wird laut Italiens Notenbankchef Ignazio Visco ein ungerechtfertigtes Hochschnellen der Marktzinsen nicht hinnehmen.

"Große und anhaltende Anstiege der Zinsen sind durch die gegenwärtigen wirtschaftlichen Aussichten nicht gerechtfertigt und werden gekontert", sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) am Montag auf der Jahresversammlung der Banca d'Italia. Die EZB sei bereit, ihr Anleihenkaufprogramm in vollem Ausmaß zu nutzen.

Die EZB hatte erst im März beschlossen, das Tempo ihres billionenschweren Pandemie-Anleihenkaufprogramm PEPP im zweiten Quartal deutlich zu erhöhen. Sie will damit dafür sorgen, dass die Finanzierungsbedingungen mitten in der Pandemie für Unternehmen, Staaten und Haushalte günstig bleiben. Zu Jahresbeginn waren die Renditen der Staatsanleihen von Euro-Ländern kräftig gestiegen, was die Währungshüter auf den Plan gerufen hatte.

Den jüngsten Anstieg der Inflation im Euro-Raum wertete Visco positiv, wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte. "Es ist gut, dass die Inflation nicht fällt, sondern zunimmt." Im April war die Teuerung auf 1,6 Prozent geklettert nach 1,3 Prozent im März. "Wir sind immer noch weit von unserem Ziel entfernt, das wir haben, von mittelfristig nahe zwei Prozent Inflation", sagte Visco. Auf der kommenden Zinssitzung am 10. Juni werde sich die EZB damit beschäftigen, welcher Anteil am Anstieg der Preise und der Inflationserwartungen auf Einmalfaktoren zurückgehe. "Ich denke das meiste davon", sagte er.

In seiner Rede sprach sich Visco außerdem für ein neues Inflationsziel der EZB von genau zwei Prozent aus. Dies wäre klarer als das derzeitige Ziel einer Teuerungsrate von unter, aber nahe zwei Prozent. Visco zufolge könne die EZB damit die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen an den Finanzmärkten besser steuern. Auch andere Währungshüter hatten für ein überarbeitetes Inflationsziel von genau zwei Prozent plädiert. Die EZB überprüft momentan ihre geldpolitische Strategie. Es ist der erste Strategiecheck seit 18 Jahren. Die Ergebnisse will sie im Herbst vorlegen.

Auf der Veranstaltung bekräftigte Visco zudem seinen Vorschlag, der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Wiederaufbaufonds der EU solle den Weg ebnen für eine dauerhafte gemeinsame Schuldenaufnahme der Gemeinschaft. Das würde die Wirksamkeit der Geldpolitik verstärken und es ermöglichen, dass der Euro seine Rolle als internationale Währung ganz ausfüllen könne, sagte er. Sein Vorschlag dürfte allerdings in vielen nordeuropäischen Ländern auf Ablehnung stoßen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte wiederholt dafür plädiert, das eine gemeinsame EU-Schuldenaufnahme eine einmalige Krisenmaßnahme bleiben sollte.