Reuters

Lokführergewerkschaft plant Bahn-Streik zu Beginn der Reisewelle

08.06.2021
um 13:47 Uhr

- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Bahn-Reisende müssen in der Sommerreisezeit mit Verspätungen und Zugausfällen durch Streiks rechnen.

Die Lokführergewerkschaft GDL kündigte am Dienstag nach den gescheiterten Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn die Einleitung von "Arbeitskampfmaßnahmen" an. Der genauen Zeitpunkt blieb offen. Der Streik fällt damit aber mit den Lockerungen nach der Corona-Krise und dem Beginn einer neuen Reisewelle in Deutschland zusammen. Im Staatskonzern traf dies auf Empörung: "Gerade jetzt den Bahnverkehr bestreiken zu wollen, ist daneben und völlig unnötig", sagte ein Sprecherin. "Die GDL streikt in Zeiten, in denen Millionen nach der langen Zeit in der Pandemie auf die Rückkehr in die Normalität setzen und sich wieder aufs Reisen freuen." Man sei noch zuletzt auf die GDL zugegangen und habe ein Angebot entlang des von der Gewerkschaft angesprochenen Abschlusses im öffentlichen Dienst gemacht.

Obwohl die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) vergleichsweise klein ist, hatten ihre Streiks in der Vergangenheit erhebliche Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Die Gewerkschaft kündigt die Arbeitsniederlegung gewöhnlich mindestens 24 Stunden vorher an.

Nachdem die vierte Verhandlungsrunde am Montag ohne Ergebnis zu Ende gegangen war, hatte die Deutsche Bahn der GDL bereits eine "Konfrontation um jeden Preis" vorgeworfen. "Wir wollen weiterhin über ein ausgewogenes und solidarisches Tarifpaket verhandeln", hatte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler erklärt.

Die Gewerkschaft machte nun wiederum die Bahn verantwortlich: "Wir wollten verhandeln und eine Einigung erzielen, doch die Deutsche Bahn hat sich erneut verweigert", sagte der GDL-Chef Claus Weselsky. Das Management beharre auf Verschlechterungen bei Arbeitszeitregelungen und der Planungssicherheit des Zugpersonals. Auch über die erheblich reduzierten Forderungen der GDL habe die Bahn nicht verhandeln wollen. Anderslautende Aussagen von Personalvorstand Martin Seiler seien gelogen. "Deshalb trägt er auch die volle Verantwortung für den heraufbeschworenen Tarifkonflikt!"

BAHN 2020 MIT REKORDVERLUST

Die Deutsche Bahn hat im vergangenen Jahr einen Rekordverlust von fast sechs Milliarden Euro ausgewiesen, die Schulden sind auf über 30 Milliarden Euro gestiegen. Der Vorstand verweist auf die Kosten der Corona-Krise. Man habe den Betrieb trotz drastisch gesunkener Reisenden-Zahl zu großen Teilen aufrecht gehalten. Die Bundesregierung will das Unternehmen - das auch im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle spielen soll - mit Milliarden-Beträgen stützen.

Mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat der Konzern bereits eine Tariferhöhung von 1,5 Prozent für eine Laufzeit ab Anfang 2022 bis Ende Februar 2023 vereinbart. In diesem Jahr soll es kein Lohnplus geben. Einen vergleichbaren Abschluss zu diesem "Sanierungs-Tarifvertrag" strebte die Bahn mit der GDL an. Beide Gewerkschaften stehen aber in scharfer Konkurrenz zueinander.

Zusätzlich kompliziert wird die Tarifrunde dadurch, dass EVG und die GDL beide den Anspruch erheben, für fast alle 185.000 Beschäftigten in Deutschland beim Schienenpersonal zu verhandeln. Die Bahn sieht sich aber gezwungen, das Tarifeinheitsgesetz anzuwenden. Danach gilt ein Tarifvertrag nur dort, wo die jeweilige Gewerkschaft die Mehrheit hat. Laut Bahn hat die GDL nur in einem kleinen Teil der Einzelbetriebe des Konzerns die Mehrheit. Die Gewerkschaft bestreitet das und geht juristisch gegen diese Einschätzung vor.