Reuters

Hongkonger Demokratie-Blatt "Apple Daily" gibt auf - "Passen Sie auf sich auf"

23.06.2021
um 12:47 Uhr

- von Sharon Abratique

Hongkong (Reuters) - Das von China in Hongkong durchgesetzte neue Sicherheitsgesetz wird wie von westlichen Staaten befürchtet immer rigider zur Aushöhlung bisheriger Rechte von Demokratie-Aktivisten genutzt.

Am Mittwoch begann in Hongkong der Prozess gegen den ersten Regierungsgegner, der auf Grundlage des neuen Gesetzes angeklagt wurde. Dem 24-Jährigen Tong Ying Kit wird entgegen der bisherigen Praxis der Einsatz eines Geschworenen-Gerichts verweigert. Dies war bisher für Angeklagte ein wichtiger Schutz gegen mögliche Behörden-Willkür. Unterdessen kündigte die regierungskritische Zeitung "Apple Daily" nach Festnahme eines weiteren Mitarbeiters an, am Donnerstag letztmals zu erscheinen. Das Blatt beschäftigt 600 Journalisten.

Tong wird Terrorismus und Anstiftung zu Protesten sowie in einem weiteren Verfahren schwere Körperverletzung im Straßenverkehr vorgeworfen. Er soll 2020 während einer pro-demokratischen Kundgebung mit einem Motorrad Polizisten umgefahren haben. Tong wurde am 1. Juli 2020 festgenommen, nur Stunden nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen, denen die Behörden den Namen "Gesetz zur nationalen Sicherheit" gegeben haben. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Haft. Der 24-Jährige weist alle Vorwürfe zurück. Entgegen dem bislang üblichen Vorgehen war es ihm auch verweigert worden, auf Kaution frei zu kommen.

Das Sicherheitsgesetz wurde 2020 trotz scharfer Kritik westlicher Staaten auf der Regierung in Peking eingeführt, wo die Gerichte von der Kommunistischen Partei kontrolliert und Angeklagte in fast 100 Prozent der Fälle auch verurteilt werden. Es gilt als massivster Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr 1997 bei der Übergabe an China nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. Westliche Staaten werfen China vor, Bürgerrechte in Hongkong auszuhöhlen und die Demokratie-Bewegung mundtot machen zu wollen.

Der Herausgeber der Zeitung "Apple Daily", das Verlagshaus Next Digital, berichtete am Mittwoch über ein weiteres Vorgehen der Behörden gegen das Blatt. So seien ein Leitartikel-Schreiber und ein Reporter der Zeitung festgenommen worden, sagte ein ranghoher Mitarbeiter des Verlags. Der Grund für die Festnahmen war unklar. Die Redaktionsräume waren erst jüngst von rund 500 Polizisten durchsucht worden. Der Chefredakteur Ryan Law und Geschäftsführer Cheung Kim Hung waren wegen des Vorwurfs festgenommen worden, zahlreiche Artikel in der "Apple Daily" verstießen gegen das neue Sicherheitsgesetz. Nun teilte die Polizei mit, ein Kolumnist der Zeitung sei wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Land oder einer ausländischen Kraft inhaftiert worden. Der "Apple Daily"-Besitzer und Chinakritiker Jimmy Lai sitzt bereits seit längerem in Haft.

Next Digital erklärte, das Blatt, das pro-demokratische Debatten, bunte Geschichten und Enthüllungen über die Mächtigen auf seinen Seiten vereint, werde nun aufgrund der aktuellen Umstände in Hongkong eingestellt. "Danke an alle Leser, Abonnenten, Anzeigenkunden und Hongkonger für 26 Jahre unermesslicher Liebe und Unterstützung. Wir verabschieden uns jetzt, passen Sie auf sich auf", hieß es auf der Website der Zeitung. Die Entscheidung sei auch mit Blick auf die Sicherheit der Mitarbeiter getroffen worden. Der taiwanische Ableger erklärte, die Internet-Ausgabe werde weiter erscheinen. Die gedruckte Ausgabe in Taiwan war vergangene Woche eingestellt worden.