Reuters

Bahn macht trotz Milliarden-Verlust Aufwärtstrend aus

29.07.2021
um 13:52 Uhr

- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Trotz eines erneuten Milliarden-Verlusts sieht sich die Deutsche Bahn in der Corona-Krise auf dem Weg der Besserung.

Zwar habe man unter dem Strich in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro eingefahren, räumte der Staatskonzern am Donnerstag ein. Dazu trug vor allem der Fernverkehr mit IC- und ICE-Zügen bei. Seit April verzeichne man jedoch spürbar mehr Reisende und Güter. "Der Aufwärtstrend der vergangenen Wochen bestätigt uns: Die Menschen wollen wieder Bahn fahren", sagte Konzern-Chef Richard Lutz. "Unser Angebot war nie besser als heute - wir sind gerüstet für mehr Reisende und Wachstum." Dennoch bleibt das Unternehmen bei seiner Prognose für das Gesamtjahr: Der Betriebsverlust (Ebit) - also noch vor Steuern und Zinszahlungen der hochverschuldeten Bahn - werde bei zwei Milliarden Euro liegen.

Die Bahn blickt bereits auf schwierige Jahre zurück: Schon vor der Corona-Krise machten ihr Material- und Personalmangel sowie mangelnde Pünktlichkeit und sinkende Gewinne zu schaffen. Parallel stiegen die Schulden rasant. Vor allem wegen der Corona-Krise schrumpfte nun im ersten Halbjahr die Passagierzahl auf unter 500 Millionen und damit auf weniger als die Hälfte im Vergleich zu 2019. Dazu droht noch in der Ferienzeit ein Streik der Lokführer-Gewerkschaft GDL. Die Hochwasser-Katastrophe traf die Bahn in diesem Juli zudem schwer: Mindestens 1,3 Milliarden Euro betragen die Schäden an Brücken oder Gleisen.

Andererseits schöpft das Unternehmen daraus auch Hoffnung: Im Kampf gegen den Klimawandel könne die Bahn eine große Rolle spielen. Dem Unternehmen sind dafür zusätzliche Milliarden-Beträge der Regierung in Aussicht gestellt. Fast alle Parteien versprechen in ihren Wahlprogrammen Unterstützung. Unternehmen setzen zunehmend auf klimafreundliche Transporte. "Es steckt in unserer DNA, die Klimawende kraftvoll voranzutreiben", sagte Bahnchef Lutz. Corona werde die Renaissance der Eisenbahn nur verzögern. "Das Beste steht der Schiene noch bevor - dafür rüsten wir uns."

GÜTERBAHN KOMMT LANGSAM VORAN

Im ersten Halbjahr sorgte allerdings besonders der Fernverkehr noch für erhebliche Verluste. Er allein fuhr einen Betriebsverlust von über einer Milliarde Euro ein. Damit fiel der Verlust höher aus als der Umsatz der Sparte. Immerhin ist die Auslastung von IC- und ICE-Zügen laut Bahn inzwischen wieder auf 40 Prozent gestiegen, vor Corona lag sie noch über 50 Prozent. Auf der anderen Seite sackte die Pünktlichkeit der Fernzüge auf unter 80 Prozent ab.

Die internationale Spedition Schenker erzielte dagegen mit fast 630 Millionen Euro einen Rekordgewinn im Halbjahr, der den Konzernverlust deutlich minderte. Bahnchef Lutz erteilte einem Verkauf der Sparte erneut eine Absage, auch wenn damit die Schulden reduziert werden könnten. Güterbahn und Nahverkehr schrieben zwar ebenfalls rote Zahlen, schnitten aber deutlich besser ab als im ersten Halbjahr 2020. Der Betriebsverlust (Ebit) des Konzerns blieb so mit 975 Millionen Euro knapp unter einer Milliarde Euro und damit nur fast halb so hoch wie im ersten Halbjahr 2020.

An den weiter wachsenden Schulden des Unternehmens änderte das nichts. Mit 32 Milliarden Euro steht der Konzern in der Kreide. Eigentlich sollten die Nettofinanzschulden bis Ende des Jahres unter 30 Milliarden Euro gehalten werden. Dies werde nicht klappen, räumte die Bahn ein. Sie kalkuliert jetzt mit etwa 31 Milliarden Euro. Grund sei, dass die versprochenen Staatshilfen langsamer flössen als erwartet. Aus dem Klimapaket und den Corona-Hilfen waren über zehn Milliarden Euro dem Staatsunternehmen in Aussicht gestellt worden - die allerdings nur zögerlich und eingeschränkt von der EU genehmigt werden. Sie fürchtet eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der kleineren Konkurrenten auf der Schiene. In diesem Jahr erwartet die Deutsche Bahn aber insgesamt noch sechs Milliarden Euro an Hilfen. Dazu könnte weiteres Geld wegen der Flut kommen.

Der Konzern selbst will bis 2024 rund fünf Milliarden Euro selbst einsparen - unter anderem beim Personal. Mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat sie daher einen Sanierungstarifvertrag geschlossen. Die konkurrierende Lokführergewerkschaft GDL lehnt einen solchen ab und droht für August mit Streik. Ein Bahn-Gesprächsangebot zur Entschärfung des Konflikts mit Einschluss der EVG lehnte sie am Donnerstag ab. Bahnchef Lutz zeigte sich besorgt: "Was es jetzt sicher nicht braucht, sind Versuche, unsere Belegschaft zu spalten und mit Streiks unseren aktuellen Aufwärtstrend zu gefährden."