Reuters

China-Sorgen und Amazon-Ausblick setzen Europas Börsen zu

30.07.2021
um 12:37 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die Furcht vor weiteren regulatorischen Eingriffen der Behörden in China und ein enttäuschender Ausblick des US-Onlinehändlers Amazon haben den Anlegern in Europa die Kauflaune verdorben.

Der Dax gab am Freitag in der Spitze um 1,3 Prozent auf 15.441 Punkte nach. Der EuroStoxx50 sank um bis zu 0,9 Prozent auf 4078 Zähler. "Facebook und Amazon haben Signale geliefert, dass die Sonderkonjunktur durch die Pandemie langsam ausläuft", sagte Marktanalyst Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets.

Erstmals seit fast drei Jahren habe der Umsatz von Amazon die Erwartungen verfehlt, konstatierten die Analysten der Investmentbank Jefferies. "Wir glauben, dass die erhöhte Mobilität nach der Aufhebung der pandemiebedingten Beschränkungen einen unerwartet starken Gegenwind erzeugt hat." Hinzu kam ein trüber Ausblick, der Amazon-Aktien vor dem Start der US-Börsen rund sechs Prozent nach unten drückte. Mit 113 Milliarden Dollar steigerte Amazon den Umsatz im vergangenen Quartal zwar um mehr als ein Viertel, blieb aber zwei Milliarden Dollar unter den Erwartungen.

Im Zuge der Ernüchterung gaben auch die Aktien weiterer Lockdown-Profiteure nach, weil die Menschen jetzt wieder in Restaurants oder Geschäfte gehen können und nicht mehr auf Online-Bestellungen angewiesen sind. Die Titel des Kochbox-Anbieters Hellofresh sowie von Europas größtem Online-Modehändler Zalando sanken um rund drei Prozent.

CHINAS BESCHWICHTIGUNGEN LAUFEN INS LEERE

Auch die Unsicherheiten rund um die Regulierungsoffensive in China trübten erneut die Stimmung. "Offenbar trauen die Investoren den Lippenbekenntnissen der Regulierungsbehörden nicht über den Weg", betonte Stanzl. "Chinesische Aktien ohne politisches Risiko sind in Zukunft noch weniger zu haben." Gleichzeitig komme man aber als global aufgestellter Anleger wegen des hohen Wachstums kaum an diesen Aktien vorbei. Die chinesischen Behörden hatten nach ihrem Durchgreifen im Bildungs-, Immobilien- und Technologiesektor versucht, die Märkte wieder zu beruhigen.

Die Unsicherheiten werden voraussichtlich zunächst anhalten, zeigte sich Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi überzeugt. "Es ist klar, dass der Regulierungsdruck steigen wird und so könnte es auch eine Weile dauern, bis die Anleger ihren Mut wieder finden." Trotz des Rücksetzers war der breit gefasste europäische Stoxx 600 Index auf dem Weg, den Juli mit Gewinnen zu beenden und damit den sechsten Monat in Folge zuzulegen. Das wäre die längste monatliche Gewinnstrecke seit 2013.

UNICREDIT IM FOKUS

Bei den Einzelwerten deckten sich Anleger bei der italienischen Hypovereinsbank-Mutter UniCredit ein. Das Institut punktete mit einem überraschend hohen Quartalsgewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Damit sieht sich das zweitgrößte italienische Geldhaus auch für eine Übernahme der staatseigenen Krisenbank Monte Paschi di Siena gerüstet. UniCredit führt nach eigenen Angaben mit dem Finanzministerium exklusive Gespräche über "ausgewählte Teile" von Monte Paschi. UniCredit-Aktien legten um bis zu 6,3 Prozent zu, Monte Paschi-Titel um bis zu 11,0 Prozent.

Dagegen mussten die Aktien von Fresenius Medical Care (FMC) Federn lassen. Die Titel der Dialysetochter des Gesundheitskonzerns Fresenius gaben rund sechs Prozent nach und waren damit Schlusslicht im Dax. Fresenius-Aktien notierten knapp fünf Prozent schwächer. FMC erwartet wegen der Corona-Krise in diesem Jahr einen Gewinnrückgang von bis zu 25 Prozent.