Reuters

Parteien suchen letzte Koalitions-Positionierungen

24.09.2021
um 08:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Drei Tage vor der Bundestagswahl haben die Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien in einem letzten TV-Schlagabtausch noch einmal ihre Koalitionswünsche deutlich gemacht.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz distanzierte sich dabei inhaltlich von der Linkspartei etwa mit dem Plädoyer für den Verfassungsschutz, die Nato und ein gutes Verhältnis zu den USA. Linken-Co-Chefin Janine Wissler betonte dagegen die programmatische Übereinstimmung von Linken, Grünen und SPD. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder warnten vor einem Linksbündnis. FDP-Chef Christian Lindner sagte zu dem in Umfragen führenden Scholz, dass ein Ergebnis in den 20er-Prozentzahlen keinen klaren Regierungsauftrag bedeute. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wiederum machte anders als bei dem TV-Triell am Sonntag keine klare Aussage zugunsten eines grün-roten Bündnis, sondern warf sowohl Union als auch SPD mangelnde Entschlossenheit in der Klimapolitik vor.

Die Frage nach gewünschten Zweier- und Dreier-Konstellationen erklärt sich aus den neuen Umfragewerte. Im ZDF-Politikbarometer gewinnen CDU/CSU danach einen Prozentpunkt auf 23 Prozent. Die SPD erreicht wie in der Vorwoche 25 Prozent. Die Grünen legen 0,5 Punkte zu auf 16,5 Prozent. Die FDP bleibt bei elf Prozent, die Linke bei sechs Prozent. Die AfD büßt einen Punkt ein auf 10 Prozent. Die Freien Wähler kommen auf drei Prozent und die anderen Parteien zusammen auf 5,5 Prozent. Damit sind sowohl eine erneute große Koalition, aber auch etwa eine Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP), ein Jamaika-Bündnis (Union, Grüne, FDP) und ein Linksbündnis (SPD, Grüne, Linke) denkbar.

Die Frage nach den Wunschkoalitionen beendete das Aufeinandertreffen der sieben Spitzenpolitiker am Donnerstagabend bei ARD und ZDF. In diesem nahm die Außenpolitik einen größerem Raum ein als bei den drei Triellen zwischen den drei Kanzlerkandidaten zuvor. Die Kandidaten von Union und SPD, Laschet und Scholz, waren sich dabei einig, dass Europa, aber auch die Bundeswehr gestärkt werden müssten. "Wir werden dafür Sorge tragen müssen, dass dieses Europa mehr mit einer Stimme sprechen kann", sagte Scholz, der steigende Ausgaben für die Bundeswehr auch in den kommenden Jahren versprach.

Es brauche eine "starke Europäische Union, weil wir sonst keine Rolle spielen", sagte Scholz. Zu den ganz zentralen Prinzipien in der Außenpolitik gehörten auch die Zusammenarbeit mit den USA und in der Nato. CSU-Chef Markus Söder forderte künftig konkretere Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr, die aber teilweise "robuster" werden müssten, wenn sie an der Seite etwa Frankreichs stattfänden. Er warf der SPD vor, die Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen verhindert zu haben. 40 andere Staaten in der Welt hätten diese Drohnen längst, sagte er.

FDP-Chef Lindner und Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock kritisierten das EU-Investitionsabkommen mit China. Lindner sprach sich dagegen für mehr Freihandelsabkommen mit anderen Regionen der Welt aus. Von der neuen Bundesregierung forderte er zudem ein stärkeres Engagement für die transatlantischen Beziehungen. Dazu schlug er vor, künftig auch mit den USA regelmäßige Regierungskonsultationen zu organisieren. Die Bundesregierung unterhalte solche Formate bereits mit Frankreich, Israel und China.

"ICH WILL KEINE STEUERERHÖHUNG"

Mit Blick auf die künftige Finanzpolitik lehnten Laschet wie Söder, aber auch Lindner eine Aufweichung der Schuldenbremse ab. "Ich will keine Steuererhöhung, ich will die Schuldenbremse einhalten", sagte Laschet. Söder warnte vor einer Schuldenunion in Europa. Lindner bekräftigte seine Absage an Steuererhöhungen und eine Aufweichung der Schuldenbremse. Stattdessen müsse der Staat seine Ausgaben überprüfen. Ein E-Auto werde mit bis zu 20.000 Euro subventioniert, während sich der Staat eine Schülerin pro Jahr nur 8000 Euro kosten lasse.

Beim Thema günstiges Wohnen sieht SPD-Kanzlerkandidat Scholz in Enteignungen keinen geeigneten Weg, mehr bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen. "Ich bin dagegen, dass wir jetzt Wohnungsunternehmen enteignen", sagte Scholz. "Das kostet sehr viel Geld. Wir sollten lieber neue Wohnungen bauen." Mit einem Mietenmoratorium wolle die SPD nach der Wahl den Mietpreisanstieg begrenzen. Auch Laschet mahnte, der Wohnungsbau sei der einzige Weg. Linken-Spitzenkandidatin Wissler und Baerbock sagten indes, Enteignungen müssten grundsätzlich möglich sein. Baerbock nannte diese Möglichkeit allerdings nur als Ultima Ratio.

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel kritisierte die Corona-Maßnahmen der Regierung scharf. Die "grundgesetzwidrigen Maßnahmen" müssten umgehend zurückgenommen werden, sagte Weidel in der Diskussion. Zudem dürften Geimpfte nicht als "Versuchskaninchen" oder Ungeimpfte nicht als "Sozialschädlinge" stigmatisiert werden. "Das ist die Verantwortung der Politik."