Reuters

DIW-Institut - Psychologischer Effekt könnte Inflation hochtreiben

20.10.2021
um 10:02 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Angst von Firmen und Verbrauchern vor hoher Inflation könnte die Teuerung in Deutschland einer Studie zufolge ankurbeln.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärte am Mittwoch, klassische Inflationstreiber wie Lohndruck, Konsum oder Produktionskosten seien derzeit eher moderat und wirkten nur temporär. "Ein Risiko geht jedoch von den Inflationserwartungen aus, die eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnten."

Die Inflationsrate liegt mit 4,1 Prozent aktuell bereits so hoch wie seit 1993 nicht mehr und dürfte bis Ende des Jahres weiter steigen. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte, die als Vorstufe der allgemeinen Teuerung gelten, stiegen im September um 14,2 Prozent zum Vorjahr und damit so stark wie seit der ersten Ölkrise im Oktober 1974 nicht mehr. "Das, was die Inflation derzeit treibt, sind vor allem vorübergehende Effekte, die aber leider alle gleichzeitig zusammenkommen", sagte DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth. Lieferengpässe, die Produktionskosten derzeit deutlich verteuern, sollten sich 2022 auflösen. "Gefahr droht eher von den Erwartungen, zu der auch gerade die alarmistische Berichterstattung beiträgt."

Wenn Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch Firmen von weiter steigenden Preisen ausgingen, würden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern. "Die Unternehmen wiederum werden auf ihre Preise aufschlagen, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen." Dies könne eine klassische Lohn-Preis-Spirale in Gang setzten, die laut Bernoth weniger auf tatsächlichen strukturellen Faktoren als auf einer psychologischen Dynamik basiere. "Höhere Inflationserwartungen könnten dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden und die tatsächliche Inflation ankurbeln."

Die Europäische Zentralbank geht nur von einer vorübergehend höheren Inflation aus. "Die EZB sollte die Entwicklung der Erwartungen aber genau beobachten und sich rechtzeitig für den Fall einer Lohn-Preis-Spirale wappnen, möglichst jetzt schon kommunikativ gegensteuern", betonte Bernoth.