Reuters

US-Wirtschaft verliert Dampf - Schwächstes Wachstum seit gut einem Jahr

28.10.2021
um 16:02 Uhr

Washington (Reuters) - Die globalen Lieferengpässe haben die US-Wirtschaft im Sommer überraschend deutlich ausgebremst.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im dritten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 2,0 Prozent, wie das Handelsministerium am Donnerstag in Washington in einer ersten Schätzung mitteilte. Von April bis Juni waren es noch 6,7 Prozent. "Die US-Wirtschaft schaltet im dritten Quartal um mehrere Gänge zurück", sagte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Damit ist die Wirtschaft der Vereinigten Staaten so langsam gewachsen wie seit über einem Jahr nicht mehr, als die Corona-Krise weltweit für massive wirtschaftliche und gesellschaftliche Einschränkungen gesorgt hatte.

Das Wirtschaftswachstum war auch deutlich geringer als erwartet: Von Reuters befragte Volkswirte hatten für das dritte Quartal mit 2,7 Prozent Wachstum gerechnet. "Auch die US-amerikanische Wirtschaft ist auf dem Boden der Tatsachen angekommen", sagte Gitzel. Neben dem knappen Material fehlten den Unternehmen Arbeitskräfte. Zudem laste das Corona-Infektionsgeschehen erneut auf dem Dienstleistungssektor.

Wegen der globalen Lieferschwierigkeiten bei vielen Produkten wie Halbleitern für elektronische Geräte und Autos ist die Kauflaune der US-Verbraucher gedämpft. Die Konsumausgaben für dauerhafte Güter wie Autos stürzten im dritten Quartal um 26 Prozent ab, nachdem sie im zweiten Quartal noch um fast zwölf Prozent zugelegt hatten. "Eine Verlangsamung war unvermeidlich", sagte Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner. "Die Bremsspuren fielen allerdings auch deshalb so tief aus, weil die Verbraucher ihre Nachfrage aufgrund anhaltender Lieferengpässe beispielsweise bei Neuwagen nicht vollständig decken konnte." Zuwächse um fast acht Prozent gab es dagegen bei Dienstleistern.

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Der Materialmangel werde immer mehr zu einem ernstzunehmenden konjunkturellen Risiko, warnte Gitzel. "Die US-Wirtschaft läuft Gefahr zu stagnieren." Hinzu kommt eine steigende Inflation. Mit Spannung blicken Ökonomen und Anleger deshalb auf die nächste Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) kommende Woche. Sie werde aber wohl an ihrem Plänen für den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik festhalten und wie angekündigt mit der Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe beginnen, zeigte sich Volkswirt Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe überzeugt. "Das dritte Quartal markiert den Beginn einer Normalisierungsphase mit tieferen BIP-Wachstumsraten." Auch die Commerzbank-Experten gehen davon aus, dass die US-Währungshüter an ihrem Kurs festhalten. "Wir sehen keinen Grund, an ein Ende des US-Aufschwungs zu glauben", sagte Weidensteiner. Für das vierte Quartal zeichne sich Besserung ab.

Derweil beantragten in der vergangenen Woche weniger Amerikaner Arbeitslosenhilfe. Insgesamt stellten 281.000 US-Bürger einen Antrag auf staatliche Unterstützung, rund 10.000 weniger als in der Vorwoche. Es war das niedrigste Niveau seit März 2020 und die dritte Woche in Folge, in der die von Ökonomen viel beachtete Zahl unter der Marke von 300.000 blieb.