Reuters

Logistikbranche warnt vor Engpässen - "Corona erhöht Krankenstand"

20.01.2022
um 13:37 Uhr

Berlin (Reuters) - Die deutsche Transportbranche warnt angesichts zunehmender Corona-Ausfälle von Lkw-Fahrern vor Lieferengpässen.

"Die Situation ist sehr angespannt, weil uns immer mehr Fahrer fehlen", sagte der Vorstandsprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Krankenstand ist wegen Corona deutlich erhöht." Er liege im laufenden Januar um etwa fünf bis zehn Prozentpunkte höher als zu dieser Jahreszeit in Vorkrisenzeiten üblich.

"Noch sind die Lieferketten stabil, leere Regale drohen noch nicht", sagte Engelhardt. "Aber wenn die Infektionszahlen weiter so durch die Decke gehen, sind sie gefährdet." Die Einzelhändler bereiten sich angesichts der Corona-Welle auf Personalprobleme vor. "Derzeit funktionieren die Lieferketten in Deutschland, auch wenn es gelegentlich hakt", sagt der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes HDE, Stefan Genth, zu Reuters. "Angesichts der weiter steigenden Inzidenzen bereitet sich der Einzelhandel allerdings bereits seit Wochen auf eine angespannte Situation mit Ausfällen beim Personal vor." So seien bereits Stellvertreter-Regelungen und Rotationsmodelle vorgesehen.

Beide Branchenverbände fordern die Politik angesichts der steigenden Corona-Infektionen dazu auf, rasch Vorkehrungen zu treffen. Die Zahl der Neuinfektionen binnen 24 Stunden schoss zuletzt auf den Rekordwert von 133.536. "Es muss eine Krisenplanung geben", sagte Engelhardt. Koordiniert werden könne das am besten vom Bundesamt für Güterverkehr. Damit könne sichergestellt werden, dass vorhandene Kapazitäten genutzt werden, um vor allem Waren des täglichen Bedarfs in Supermärkte, Drogerien, aber auch Krankenhäuser liefern zu können. "Praktisch wäre eine Aufteilung des Landes nach Regionen, wie das auch bei den Krankenhäusern der Fall ist", sagte der BGL-Vorstandssprecher. Er empfiehlt zudem dringend, zusätzlich Impfangebote auf den Autohöfen und an Raststätten vorzuhalten. "Und zwar für alle Fahrer, egal welcher Nationalität."

Der HDE fordert, die strengen Regelungen zur nächtlichen Anlieferung aufzuheben, zumindest aber zugunsten des systemwichtigen Lebensmittelhandels zu lockern. "Zudem ist es Zeit, die Sonntagsarbeits- und -fahrverbote sowie Lenk- und Ruhezeiten zu entschärfen", sagte Genth. Um bei eventuell massivem Personalmangel schnell für Ersatz sorgen zu können, sollten auch die rechtlichen Bedingungen für Arbeitnehmerüberlassung bei kurzfristigen Einsätzen erheblich schneller und flexibler gestaltet werden. Damit könnten dann Mitarbeiter aus Unternehmen, die gerade keinen intensiven Personalbedarf haben, als kurzfristige Aushilfen genutzt werden.

Viele Transportunternehmen haben dem BGL zufolge schon vor Weihnachten Aufträge ablehnen müssen, weil Fahrer fehlten. "Der Fahrermangel ist ein großes Problem, auch ohne Corona", sagte Engelhardt. Etwa 80.000 fehlten derzeit in Deutschland. 30.000 bis 35.0000 gehen den Verbandsangaben nach jährlich in den Ruhestand, aber nur 15.000 bis 20.000 kommen nach. "Die Lücke wächst also jedes Jahr um 15.000", so Engelhardt. "Nach Corona müssen wir uns mit Industrie, Lebensmittelhändlern, Politik und anderen Akteuren zusammensetzen und nach Lösungen suchen."