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Studie - Russischer Gas-Lieferstopp würde im zweiten Halbjahr 12,7 vH BIP kosten

28.06.2022
um 09:52 Uhr

München (Reuters) - Ein kurzfristiger Stopp russischer Gaslieferungen würde einer Studie zufolge im zweiten Halbjahr 12,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung kosten.

Besonders stark betroffen wären Branchen wie die Glasindustrie oder die Stahlverarbeitung, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt, am Dienstag zu der Studie, die das Forschungsinstitut Prognos im Auftrag der vbw erstellt hat. Auch die Chemie-, Keramik-, Nahrungsmittel- und Textilbranche dürften einen Gas-Lieferstopp unmittelbar zu spüren bekommen.

Dazu kämen indirekte Effekte, sollten die russischen Gaslieferungen am 1. Juli eingestellt werden. "Die Erdgas-Engpässe bewirken Dominoeffekte", sagte Brossardt. "Diese treffen die gesamte Wertschöpfungskette empfindlich." Die Störungen in den Lieferketten hätten branchenübergreifend etwa die dreifache Auswirkungen im Vergleich zu den direkten Folgen. "In Summe droht damit ein Wertschöpfungsverlust in der zweiten Jahreshälfte von 193 Milliarden Euro." Sollte die Mangellage länger anhalten, sei auch eine Zunahme der Arbeitslosigkeit kaum zu vermeiden.

Die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas sei unterschätzt worden, sagte Prognos-Chefvolkswirt Michael Böhmer. Rund die Hälfte des Erdgases werde von geschützten Kunden verbraucht - dazu zählen Verbraucher, Krankenhäuser oder soziale Einrichtungen. Dieser Bedarf könne zu 93 Prozent gedeckt werden. Nicht-geschützte Kunden, zu denen die Industrie zähle, erhielten dagegen weniger als die Hälfte des benötigten Gases.

Besonders kritisch werde der Oktober, sagte Böhmer: Hier sei die Deckungslücke besonders groß. In dem Monat beginnt üblicherweise die Heizperiode, in der der Bedarf ansteigt. Zugleich werde aber noch nicht auf Gas aus den Gasspeichern zugegriffen.

(Bericht von Christina Amann, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)