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Ampel beerdigt Gasumlage - Alternativen offen

26.09.2022
um 07:37 Uhr

- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Die Ampel-Koalition beerdigt angesichts rasant gestiegener Energiekosten der Bürger die Gasumlage.

Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits rechtliche Zweifel angemeldet hatte, rückte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Sonntag von dem Projekt ab. "Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage", erklärte er. Statt Gas weiter zu verteuern, brauche man eine Preisbremse. Die SPD-Spitze verkündete daraufhin das Aus: "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Woche zum Ende der Gasumlage kommen", sagte SPD-Chefin Saskia Esken in der ARD. Ihr Co-Chef Lars Klingbeil ergänzte im ZDF: "Ich glaube, Politik muss die Kraft haben, Fehler zu korrigieren." Grünen-Parteichefin Ricarda Lang verlangte einen Ersatz aus Steuermitteln.

Die Umlage von rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollten eigentlich ab Oktober alle Gaskunden zahlen. Ziel ist es, mit dem Geld die Importeure zu stützen. Insgesamt geht es nach Schätzungen um über 30 Milliarden Euro. Die Importeure leiden unter dem Lieferstopp für russisches Gas und müssen Ersatz kurzfristig und teuer am Markt beschaffen, können die Mehrkosten aber in laufenden Verträgen nicht sofort an die Kunden weitergeben. Die Abgabe hätte einen Vier-Personen-Haushalt mit bis zu 500 Euro im Jahr belasten können - zusätzlich zu den ohnehin regulär start steigenden Preisen.

LINDNER LÄSST FINANZIERUNG VON PREISBREMSEN OFFEN

Lindner, der bisher die Umlage nicht öffentlich kritisiert hatte, begründete in der "Bild am Sonntag" seine Äußerung mit den hohen Belastung: "Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt." Insgesamt müsse man erreichen, dass die Preisspitzen für die Bäckereien bis zur Rentnerin erträglich seien, ergänzte er am Sonntagabend in der ARD. "Eine Gaspreisbremse ist für mich kein Anlass wieder eine Ausnahme von der Schuldenregel für den Bundeshaushalt zu machen."

Finanziert werden müsste beides: Die Umlage mit Einnahmen von über 30 Milliarden Euro zur Stützung der Importeure ebenso wie die Preisdämpfung für die Kunden. Wie konkret dies Gaspreisbremse umgesetzt werden könnte, ließ Lindner offen und verwies auch auf den Wirtschaftsminister. Habeck selbst hatte zuletzt bei der Umlage nur noch von einer Brücke gesprochen, bis eine andere Lösung gefunden sei. Am Sonntag ging er nur indirekt auf die Debatte um die Abschaffung ein: Man müsse alle Finanzkraft des Staates aufbringen, um die Volkswirtschaft durch die Krise zu führen und den sozialen Zusammenhalt zu sichern.

Deutlicher wurde seine Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. Wie bei der Bundeswehr-Stärkung könne ein sogenanntes Sondervermögen helfen: "Jetzt ist es tatsächlich die Zeit, dass wir die wirtschaftliche Substanz dieses Landes verstärken", sagt sie der ARD. Die Gasumlage könne weg, sobald das Finanzministerium eine Bereitschaft zu Alternativen zeige: "Und diese Alternative heißt natürlich klar: Finanzierung der Stabilisierung aus dem Haushalt."

Eine Nachbesserung des Energie-Sicherungsgesetzes, auf dem die Umlage fußt, ist derzeit in der Abstimmung zwischen den Ressorts und sollte eigentlich Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Dies gilt jetzt als unwahrscheinlich.

EU UND BUND MIT KOMMISSIONEN FÜR GASPREISBREMSE

Die EU-Kommission und die Bundesregierung halten Regelungen zur Dämpfung des Gaspreises allerdings für rechtlich kompliziert. Sowohl Regierung als auch EU haben daher Arbeitsgruppen eingesetzt, um Lösungen zu suchen. Zunächst will sich die EU-Kommission auf eine Abschöpfung der aktuell hohen Gewinne von Stromproduzenten konzentrieren und den Staaten einen Rahmen dafür geben. Eine Einigung sollen die Energieminister in der nächsten Woche erzielen. Mit den Erlösen könnten dann auch Gaskunden entlastet werden.

Lindner ging jedoch noch einen Schritt weiter und verknüpfte seine Forderung mit der Frage der AKW-Laufzeitverlängerung: "Eine Gaspreisbremse muss in der Kombination mit Maßnahmen wie der Verlängerung der Kernenergie beschlossen werden, damit wir die beste Wirkung haben." Das Energie-Angebot müsse ausgeweitet werden, um die Preise nach unten zu bringen. Das gelte auch für die Stromtarife.

(Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)