Reuters

Regierung spannt erneut Schutzschirm - 200 Mrd gegen hohe Energiepreise

29.09.2022
um 15:52 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung plant zur Abfederung der sprunghaft gestiegenen Energiekosten einen weiteren Abwehrschirm für Verbraucher und Unternehmen.

Das Volumen bezifferte die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP am Donnerstag auf bis zu 200 Milliarden Euro. Konkret geplant sind neben einer Strompreisbremse nun auch eine Gaspreisbremse. "Man kann sagen: Das ist hier ein Doppel-Wumms", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. Er hatte in der Corona-Pandemie 2020 das damalige Konjunkturpaket der großen Koalition bereits als "Wumms" bezeichnet. Nun stünden zusammen mit den drei Entlastungspaketen insgesamt rund 300 Milliarden Euro zur Verfügung.

"Die Preise müssen runter", sagte SPD-Politiker Scholz, der wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne ist und virtuell zu der Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner zugeschaltet wurde. Es werde auf absehbare Zeit keine russischen Gaslieferungen mehr geben. Deswegen soll der Corona-Krisenfonds WSF, der eigentlich schon eingestellt wurde, wieder aktiviert werden. Er soll nun mit bis zu 200 Milliarden Euro ausgestattet werden. Eigentlich war vorgesehen, dass neue Anträge beim WSF nicht mehr gestellt werden können. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hält allerdings noch einige Beteiligungen, die in den nächsten Jahren abgebaut werden dürften.

Mit dem neuen Abwehrschirm sollten noch größere Krisen abgewendet werden. "Wir sind immer noch in einer kritischen Situation", sagte Grünen-Politiker Habeck mit Blick auf die Versorgungssicherheit. Es müsse mehr Energie eingespart werden, auch von den privaten Haushalten. Die eigentlich ab Anfang Oktober greifende Gasumlage wird in letzter Minute wieder abgeschafft. Sie werde per Verordnung zurückgenommen. "Die Gasumlage wird nicht mehr benötigt." Es gebe über den WSF jetzt eine bessere Möglichkeit, um Unternehmen mit Kapital auszustatten.

Das jetzt beschlossene Programm soll Habeck zufolge eine Laufzeit bis Ende des übernächsten Winters haben, also bis März oder April 2024. Die eingesetzte Expertenkommission zum Umgang mit den hohen Energiekosten solle zeitnah einen Vorschlag für eine Gaspreisbremse machen. Dieser werde dann beraten und umgesetzt.

"Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit", sagte Finanzminister Lindner. Die Lage habe sich mit den Lecks an den Nord-Stream-Pipelines noch einmal verschärft. Die 200 Milliarden Euro könnten ausschließlich zweckgebunden verwendet werden. Das Geld stehe nicht für weitere Forderungen aus den Bundesländern zur Verfügung, so der FDP-Chef. Es gehe darum, einen Dammbruch bei den Ausgaben zu verhindern. Die Schuldenbremse solle nächstes Jahr eingehalten werden.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar sind die Energiepreise massiv gestiegen. Die hohe Inflation zehrt an der Kaufkraft der Verbraucher, viele Firmen stehen wegen hoher Kosten mit dem Rücken zur Wand. Experten schließen eine nie dagewesene Rezession im nächsten Jahr nicht mehr aus. Auslöser dafür könnte im Winter ein Gasmangel sein, der staatliche Rationierungen erforderlich macht.

(Bericht von Christian Krämer, Andreas Rinke, Alexander Ratz und Holger Hansen, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)