Reuters

Neuer Lieblingspartner - Deutschland und Spanien rücken zusammen

06.10.2022
um 07:12 Uhr

- von Andreas Rinke

A Coruna (Reuters) - Deutschland und Spanien wollen ihre Zusammenarbeit drastisch ausbauen.

Bei den 25. Regierungskonsultationen in A Coruna betonten Kanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Pedro Sanchez am Mittwoch die Nähe beider Länder. In einem Aktionsplan beschlossen beide Regierungen eine enge Kooperation in Energie- und Sicherheitsfragen. Beide drängten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, endlich den Widerstand gegen den Bau der sogenannten MidCat-Gaspipeline von der iberischen Halbinsel nach Mitteleuropa aufzugeben. Scholz wurde bei seinem Besuch unter anderem von Vizekanzler Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner, Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht begleitet.

Die demonstrative Nähe beider Regierungen ist auch vor dem Hintergrund des Ausgangs der italienischen Parlamentswahlen relevant. Während es eine enge Absprache Berlins mit dem bisherigen Ministerpräsidenten Mario Draghi gab, ist dies mit der Rechtsaußen-Wahlsiegerin Giorgia Meloni nicht mehr zu erwarten. Scholz und Sanchez sind dagegen beides Sozialdemokraten. Der Kanzler lobte Spanien als verlässlichen Nato- und EU-Verbündeten. Die bilateralen Konsultationen fanden erstmals seit 2013 wieder statt.

Beide Regierungschefs bemühten sich auch, die Differenzen etwa bei nationalen Hilfen gegen steigende Energiepreise zu überspielen. Sanchez mahnte zwar mit Blick auf das 200-Milliarden-Euro-Hilfspaket der Bundesregierung zur Deckelung der Energiepreise an, dass der EU-Binnenmarkt erhalten werden müsse. Scholz betonte aber, dass Deutschland nur anderen EU-Ländern mit nationalen Hilfsprogrammen folge und die 200 Milliarden Euro bis 2024 geplant seien. Er betonte zudem mit Blick auf Spanien: "Unsere Beziehungen sind außergewöhnlich dicht und nachhaltig." Es sei ein wichtiges Anliegen beider Regierungen, dass Bürger und Firmen bezahlbare Energie bezögen.

Demonstrativ forderten beide Regierungen Frankreich auf, den Widerstand gegen den Bau der Gaspipeline von der iberischen Halbinsel nach Norden aufzugeben. "Wir werden uns beide für höhere Verbindungskapazitäten von der Iberischen Halbinsel einsetzen, um deren Beitrag zur sicheren Versorgung ganz Europas zu erhöhen," heißt es in der Erklärung. Scholz, der am 3. Oktober Macron im Kanzleramt empfangen hatte, zeigte sich optimistisch, dass dieser seinen Widerstand aufgeben werde. Beide Regierungen fordern, dass die EU-Kommission in die Gespräche eingebunden wird, weil es sich um ein europäisches Projekte handele. Brüssel unterstützt den Pipeline-Bau ebenfalls.

In der Erklärung findet sich auch ein Bekenntnis zur Rüstungskooperation und einer mit Frankreich koordinierten Rüstungsexportpolitik. Als gemeinsame Projekte werden unter anderem das künftige Luftkampfsystem FCAS, der Eurofighter oder das Transportflugzeug A400M benannt. Eine mögliche Zusammenarbeit bei einem Luftabwehrschirm, die die spanische Seite ins Spiel gebracht hatte, wird nicht erwähnt. Scholz sagte, dies habe keine Rolle gespielt.

Zudem wollen beide Staaten ihre Abstimmung bei der Migration, in der Politik gegenüber dem westlichen Balkan, bei der Einhaltung der Rechtsstaatsnormen in der EU, aber auch bei der Außenpolitik in Lateinamerika und Nordafrika verstärken. Künftig sollen ? ähnlich wie mit Frankreich ? gegenseitig Diplomaten ausgetauscht und ausgebildet werden.

Differenzen gibt es bei der Änderung der EU-Fiskalregeln. Scholz wehrte in einem Interview mit der Zeitung "El Pais" spanische Wünsche nach einer weitgehenden Lockerung der EU-Fiskalregeln ab. "Mein Eindruck ist, dass die bisherigen Regeln sich bewährt haben, eben weil sie ein hohes Maß an Flexibilität in Krisenzeiten gezeigt haben", sagte er. Im Sommer habe die Bundesregierung ihre Vorstellungen einer begrenzten Weiterentwicklung der europäischen Schuldenregeln vorgelegt.

(redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)