Reuters

Russische Rakete trifft annektiertes Saporischschja

06.10.2022
um 16:57 Uhr

Kiew (Reuters) - Russland bombardiert auch nach der vom Westen nicht akzeptierten Annexion von vier ukrainischen Regionen Gebiete, die nach Ansicht der Regierung in Moskau jetzt eigenes Staatsgebiet ist.

Am Donnerstag schlug nach Angaben des Regionalgouverneurs eine russische Rakete in der Stadt Saporischschja in ein Wohnhaus ein. Dabei seien mindestens drei Menschen getötet worden. Unter den Trümmern wurden noch mehrere Verschüttete vermutet. Der Vorfall ist Ausdruck der Schlagkraft, die die russischen Streitkräfte vor allem mit Raketenangriffen nach wie vor haben, obwohl sie auf dem Schlachtfeld nach ukrainischer Darstellung weiterhin Rückschläge hinzunehmen haben.

Nach Darstellung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kommen die Streitkräfte des Landes bei der Rückeroberung von russisch besetzten Gebieten weiter voran. So hätten ukrainische Soldaten weitere Geländegewinne in den Regionen Donezk im Osten und Cherson im Süden verbuchen können. Donezk und Cherson gehören genauso wie die Regionen Luhansk und Saporischschja nach Ansicht der Regierung in Moskau jetzt zum Staatsgebiet der Russischen Föderation. Selenskyj betonte, die Ukraine werde sich von den russischen Drohungen mit dem Einsatz nuklearer Waffen nicht einschüchtern lassen.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat mehrfach gesagt, er werde das Territorium seines Landes mit allen Mitteln verteidigen, und dabei den Einsatz von Atomwaffen nicht ausgeschlossen. Seiner Argumentation folgend wären die ukainischen Vorstöße in den besetzten Gebieten jetzt ein Angriff auf Russland. Selenskyj zeigte sich dagegen überzeugt: Russland habe bereits verloren. "Die Ukrainer wissen, wofür sie kämpfen. Und immer mehr Bürger Russlands erkennen, dass sie sterben müssen, nur weil eine Person den Krieg nicht beenden will", sagte er in Anspielung auf Putin.

KRITIK AN RUSSISCHEM VORGEHEN HÄLT AN

Auf Videos in sozialen Medien war ein russischer Schützenpanzer zu sehen, an dessen Kanonenrohr ein weißes Stück Stoff angebracht war. Das Fahrzeug bewegte sich, beobachtet von mehreren ukrainischen Soldaten, durch das Gelände und hielt schließlich an. Drei russische Soldaten stiegen mit erhobenen Händen aus und ergaben sich, indem sie sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legten. Unabhängig überprüfen ließen sich die Aufnahmen nicht, Ort und Zeitpunkt waren unklar. Das ukrainische Kommando Süd erklärte, es habe mindestens 58 russische Soldaten getötet, fünf Panzer, 17 gepanzerte Fahrzeuge und vier Haubitzen der Russen seien zerstört worden.

Ein von Russland installierter Vertreter in der Region Cherson, Kirill Stremousow, sagte, der ukrainische Vorstoß in dem Gebiet sei zum Erliegen gekommen. "Die Situation ist unter Kontrolle", erklärte er auf Telegram. Er betonte, die russischen Streitkräfte hätten sich zurückgezogen, um sich neu zu formieren. Dies sei nur deshalb geschehen, um das Leben der Soldaten zu retten. In Russland sorgt das Vorgehen der Militärs allerdings weiter für Unmut. "Bitte erklärt mir, welche geniale Idee der Generalstab jetzt hat?" sagte Wladimir Solowjow, einer der prominentesten russischen TV-Moderatoren. "Glaubt Ihr, die Zeit ist auf unserer Seite?"

(Bericht von Tom Balmforth, Pavel Polityuk und Reuters-Büros; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Ralf Bode; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur)