Reuters

EZB-Währungshüter für kraftvolles Handeln im Kampf gegen die Inflation

06.10.2022
um 17:52 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) wollen der ausufernden Inflation mit einer straffen Linie bei den Leitzinsen beikommen.

Wenn jetzt kraftvoll gehandelt werde, könne man größere Zinsschritte im weiteren Konjunkturverlauf bei lahmender Wirtschaft vermeiden, heißt es im Protokoll des Zinstreffens vom 7. und 8. September in Frankfurt, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. "Die Inflation war viel zu hoch und wird wahrscheinlich für längere Zeit über dem Ziel des EZB-Rats bleiben", erklärten die Euro-Wächter. Sie verweisen zugleich darauf, dass ohne eine zeitnahe Verringerung des geldpolitischen Impulses die Abwertung des Euro den Inflationsdruck noch weiter verstärken könne. Wachstumssorgen sollten keine notwendige kraftvolle Erhöhung der Zinsen verhindern.

Die nächste Zinssitzung findet am 27. Oktober statt. Das letzte geldpolitische Treffen in diesem Jahr ist dann für den 15. Dezember geplant. Auf der September-Sitzung hatte die EZB ihre drei Schlüsselsätze in einem ungewöhnlichen XXL-Schritt um jeweils 0,75 Prozentpunkte angehoben. Der Leitzins liegt damit aktuell bei 1,25 Prozent und der Einlagensatz, derzeit der maßgebliche Zinssatz an den Finanzmärkten, bei 0,75 Prozent. "Die Protokolle der Septembersitzung der EZB zeigen einen Rat, der wegen des Inflationsausblicks besorgt ist, was zu einem Konsens bezüglich einer Rekordanhebung um 75 Basispunkte führte", kommentierte die US-Bank Morgan Stanley die Protokolle. "Ausgehend von einer Beibehaltung der datenabhängigen Vorgehensweise und einer Rekord-Inflation im September erwarten wir eine weitere Erhöhung um 75 Basispunkte im Oktober."

Zuletzt hatten sich immer mehr EZB-Währungshüter wegen des anhaltenden Inflationsschubs für einen erneuten Mega-Zinsschritt auf der kommenden Oktober-Sitzung ausgesprochen. Die Teuerungsrate im Euro-Raum war im September mit 10,0 Prozent erstmals zweistellig geworden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte kürzlich erklärt, die Notenbank habe auf ihrem Zinserhöhungskurs noch nicht das Zinsniveau erreicht, das die Wirtschaft weder anschiebt noch bremst. Notenbanker sprechen dabei vom sogenannten neutralen Zins. Auf dieses Niveau zu kommen ist Lagarde zufolge das erste Ziel der EZB. Für Experten liegt dieses neutrale Niveau derzeit beim Einlagensatz zwischen 1,5 und 2,0 Prozent.

INFLATIONSERWARTUNGEN IM BLICK

Zwar könne die Notenbank die direkten Folgen der höheren Energiepreise und die Auswirkungen von Angebotsschocks nicht verhindern, heißt es weiter im Protokoll. In ihre Verantwortung falle aber, das Risiko für weitergehende Auswirkungen - sogenannte Zweitrundeneffekte - zu bekämpfen und zu verhindern, dass die Inflationserwartungen aus der Spur geraten. Solche Gefahren hätten zugenommen. Der Euro-Wechselkurs wird aus Sicht der EZB auch durch die hohen Energiepreise in Europa und durch die Wachstumsrisiken im Euro-Raum relativ zu den USA gedrückt. "Auch wurde gesehen, dass die schnellere Straffung der Geldpolitik in den USA eine wichtige Rolle gespielt hat", so das Protokoll.

In den USA treibt die Federal Reserve den Leitzins in großen Schritten nach oben, um die Inflation wieder einzufangen. Im September hatte die US-Notenbank ihn bereits zum dritten Mal in Folge ungewöhnlich kräftig um einen Dreiviertel-Prozentpunkt angehoben - auf die aktuelle Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent. Der Dollar-Index, der den Kurs der US-Währung zu wichtigen anderen Währungen widerspiegelt, ist in diesem Jahr bereits um 16 Prozent gestiegen. Dagegen ist der Kurs des Euro zum Dollar bislang um zwölf Prozent gesunken. Und seit August liegt er überwiegend unterhalb der Parität zum Dollar. Nach einer Reuters-Umfrage gehen Volkswirte aktuell davon aus, dass die Gemeinschaftswährung auch in den nächsten sechs Monaten unterhalb der Parität gehandelt werden wird.

(Bericht von Frank Siebelt, Reinhard Becker; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)