Gabriel will Atomkonzerne notfalls stärker anzapfen
- von Gernot HellerBerlin (Reuters) - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will die Stromkonzerne für die Kosten des Abrisses und der Entsorgung von Atomkraftwerken stärker zur Kasse bitten als bislang geplant.Sollte die Rückstellungssumme, die die Unternehmen mit knapp 38 Milliarden Euro gebildet hätten, für diese Zwecke nicht reichen, müsse man über Nachschusspflichten sprechen, sagte der Minister am Freitag. Daneben will er schnellstmöglich mit einem Gesetz verhindern, dass diese Haftungssumme durch Ausgliederungen oder andere Umstrukturierungen in Energiekonzernen zusammenschmilzt. "Wir müssen das zügig machen." Noch vor dem Bericht, der Ende November von einer Kommission, die sich mit dem Haftungsthema befassen wird, vorgelegt werden soll, will Gabriel das in Angriff nehmen. Der Minister äußerte sich vor dem Experten- und Politiker-Gremium, das sich mit der Endlagerung von hochgiftigem Atommüll befasst. Hintergrund seiner Äußerungen sind Befürchtungen, dass die Rückstellungen der Stromkonzerne E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW nicht ausreichen könnte, um den Abriss ihrer Atomkraftwerke und die Lagerung des Atommülls zu finanzieren. Zudem sehen Politiker und Fachleute die Gefahr, dass durch den Umbau von Energiekonzernen, wie er etwa bei E.ON in Gang ist, die Vorsorgemittel für diese Zwecke schwinden oder durch Insolvenzen verloren gehen könnten."ELTERN HAFTEN FÜR IHRE KINDER""Die AKW-Betreiber müssen sämtliche Kosten für den Rückbau gemäß dem Verursacherprinzip tragen", äußerte sich Gabriel ganz unmissverständlich. Dieser Grundsatz dürfe auch durch Umstrukturierungen in den Konzernen nicht ausgehebelt werden. Daher sollte schon in den nächsten Monaten ein Gesetz auf den Weg gebracht werden nach dem Motto, "Eltern haften für ihre Kinder." Konzernmütter müssen in der Haftung bleiben. Was den politischen Streit mit Bayern um ein atomares Zwischenlager für zurückgeholte Castor-Behälter mit Atommüll angeht, stärkte Gabriel Umweltministerin Barbara Hendricks den Rücken. Deren Konzept, nach dem neben drei anderen Ländern auch Bayern solche gefährlichen Abfallstoffe zurücknehmen müsse, sei "ein sehr guter Vorschlag". Er könne sich nicht vorstellen, dass sich Bayern der Verantwortung entziehe. Gabriel erwartet, dass Bayern am Ende einlenkt und nicht den energiepolitischen Konsens in der Koalition infrage stellt. "Wer sagte eigentlich, dass Bayern sich entzieht?", fragte er. Bislang hält Bayern allerdings an seinem Widerstand fest.