Reuters

HINTERGRUND-Ölpreis stürzt ab - Fällt die 20-Dollar-Marke?

30.12.2015
um 14:46 Uhr

- von Hakan Ersen und Daniela Pegna

Frankfurt (Reuters) - Der Kampf der Förderländer um Marktanteile treibt den Ölpreis von einem Tief zum nächsten.

Die Opec-Staaten fluten den Weltmarkt mit Öl, um Konkurrenten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Daher erwarten die Experten von Goldman Sachs, dass sich der Preis für die US-Ölsorte WTI 2016 auf 20 Dollar je Barrel (159 Liter) nahezu halbiert.

"Bei einem milden Winter, einem langsameren Wachstum in den Schwellenländern und der potenziellen Aufhebung der Iran-Sanktionen könnten die Lagerbestände weiter steigen", warnen sie. Goldman-Analysten gelten als besonders kompetent, weil sie bei ihren Preis-Prognosen häufig richtig lagen und die US-Großbank ein großer Player im Handel mit dem "schwarzen Gold" ist.

Aktuell liegt der Preis für die richtungsweisende Sorte Brent aus der Nordsee mit rund 37 Dollar nur etwa einen Dollar über dem Elfeinhalb-Jahres-Tief von 35,98 Dollar von vergangener Woche. WTI notiert ebenfalls bei gut 37 Dollar. Mitte 2014 hatten beide noch oberhalb der 100-Dollar-Marke gelegen.

ANALYSTEN - GERINGERE US-FÖRDERUNG STABILISIERT ÖLPREIS

Mit ihrer Ölpreis-Prognose liegen die Goldman-Analysten aber weit weg von der Mehrheitsmeinung. Im Schnitt sehen die von Reuters befragte Analysten den Brent-Preis im kommenden Jahr bei 57,90 Dollar und WTI bei 52,80 Dollar. Stefan Kreuzkamp, Chefstratege bei der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank (AWM), begründet seine Erwartung eines anziehenden Ölpreis mit der rückläufigen Förderung von Schieferöl in den USA. Ähnlich argumentieren die Experten der Commerzbank, die gegen Jahresende 2016 einen Brent-Preis von 63 Dollar vorhersagen. Weil die Zahl der aktiven Bohrlöcher in den USA seit Oktober 2014 um zwei Drittel gesunken sei, dürfte die globale Ölproduktion im kommenden Jahr trotz eines größeren Angebots aus dem Iran nicht mehr steigen. Weltweit wurden dem Ölindustrie-Dienstleister Baker Hughes zufolge bis November knapp die Hälfte aller Bohrungen stillgelegt.

Dieser Einschätzung widerspricht die Internationale Energieagentur (IEA). Deren Experten gehen davon aus, dass die Opec-Staaten ihre Ölförderung 2016 um 1,6 auf 31,3 Millionen Barrel pro Tag steigern. Gleichzeitig werde die Fördermenge der nicht im Kartell vertretenen Länder nur um 600.000 Barrel zurückgehen. Daher werde trotz der rückläufigen Fördermengen in den USA das Angebot die Nachfrage noch bis mindestens Ende 2016 übersteigen.

NEUER ÖL-BOOM IN DEN USA - OPEC HÄLT DAGEGEN

Ein Grund für das weltweite Überangebot an Rohöl ist der Schieferöl-Boom in den USA. Dabei wird der Rohstoff mit Hilfe des umstrittenen Fracking-Verfahrens unter hohem technischen und finanziellen Aufwand aus dem Gestein gelöst. Einige Opec-Staaten wie Saudi-Arabien wollen aber anders als in früheren Jahrzehnten die Preise nicht mit Förderkürzungen stabilisieren. Sie fahren stattdessen die Produktion hoch und gewähren Kunden Rabatte, um ihre Marktanteile zu verteidigen und Konkurrenten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Anfang Dezember betonte das Kartell, an dieser Politik festzuhalten und den Weltmarkt weiter mit Öl zu fluten.

Dem Sog des Ölpreis-Verfalls können sich andere Energieträger nicht entziehen. Kohle ist mit 44 Dollar je Tonne so billig wie zuletzt vor gut zwölf Jahren. Der Preis für eine Megawattstunde Strom markierte vor wenigen Tagen an der Strombörse EEX mit 27,85 Euro ein Rekordtief.

OTTO NORMALVERBRAUCHERS FREUD', ÖLKONZERNS LEID

Den Rohstoff-Konzernen macht dieser Preisverfall schwer zu Schaffen. Allein der Börsenwert der Ölförderer schrumpfte in den vergangenen eineinhalb Jahren um insgesamt mehr als eine Billion Dollar. Das entspricht in etwa der aktuellen Marktkapitalisierung der 30 Dax-Werte und übersteigt die jährliche Wirtschaftsleistung der Niederlande.

Die rückläufigen Energiepreise dämpfen außerdem die Inflation. Dies zwingt die Europäische Zentralbank (EZB) dazu, mit immer neuen Geldspritzen die Teuerungsrate in Richtung ihrer Zielmarke von knapp zwei Prozent zu treiben. Sonst droht die sogenannte Deflation, eine Spirale fallender Preise und rückläufiger Investitionen.

Der Ölpreis-Verfall sei aber auch ein Konjunkturprogramm, betont Elga Bartsch, Chefvolkswirtin von Morgan Stanley. Unternehmen bleibe schließlich mehr Spielraum für Investitionen und Verbrauchern mehr Geld für den Konsum. "Das wird 2016 so bleiben." Auf 13,5 Milliarden Euro beziffert Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes in der "Bild am Sonntag" die Ersparnis für die deutschen Verbraucher im laufenden Jahr. 2016 werden wohl weitere Milliarden hinzukommen: Der Dieselpreis ist an vielen Tankstellen wieder unter die Marke von einem Euro gerutscht.

BP PLC

WKN 850517 ISIN GB0007980591

Chevron Corp.

WKN 852552 ISIN US1667641005

ENI S.p.A.

WKN 897791 ISIN IT0003132476

Exxon Mobil Corp.

WKN 852549 ISIN US30231G1022

OMV AG

WKN 874341 ISIN AT0000743059

Repsol S.A.

WKN 876845 ISIN ES0173516115

Shell PLC

WKN A0D94M ISIN GB00B03MLX29

TotalEnergies SE

WKN 850727 ISIN FR0000120271