Unternehmen im Fokus

24.02.2016
um 20:08 Uhr

Anlagetrend: Drohnen

Die Intrige um Qualcomm Inc., WKN:883121

In jedem Businessumfeld kommt es früher oder später unweigerlich zu dem Moment, an dem die sogenannte Marksättigung eintritt. Die Anzahl der Konkurrenten wird immer größer, die Absatzzahlen sinken und die Profitabilität des noch vor wenigen Jahren entwickelten Top-Produkts tendiert immer stärker gegen Null. Das betrifft alle Produktarten von der einfachen Zahnbürste bis hin zum strukturierten Kredit einer Bank. Um in diesem Umfeld weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben und schließlich zu überleben, sind Unternehmen, egal wie stark der Burggrabencharakter ausgeprägt ist, gezwungen, ständig nach Neuerungen zu suchen und sich dem Geist der Zeit anzupassen. Viele Firmen versuchen dabei in neue Marktnischen vorzudringen, um zunächst das Problem durch eigene Produktdiversifikation zu lösen, bis sie eine neue Expertise aufbauen, um den Fortbestand des eigenen Geschäfts für die Zukunft zu sichern.

Im IT-Bereich der Smartphone-Industrie ist daher öfter zu beobachten, dass Unternehmen, die sich anfänglich auf die Herstellung von Prozessoren spezialisiert haben, nun verstärkt in den Markt von Server- und Cloud-Lösungen dringen, sowie Unternehmen, die früher das Innenleben von gewöhnlichen Desktop-PCs entwickelt und konstruiert haben, sich nun verstärkt um die Ausstattung von Tablets kümmern. Das wichtigste in diesem Zusammenhang ist aber die Suche, Entwicklung und Etablierung einer neuen bahnbrechenden Technologie, die die Konkurrenz für eine gewisse Zeit abhängen wird.

Das Unternehmen Qualcomm Inc. hat es seinerzeit geschafft und als Folge arbeiten die meisten der heutigen Smartphones mit ihren Prozessoren. Doch die Zeiten ändern sich und das Kerngeschäft von Qualcomm wird zunehmend von günstigeren Konkurrenten wie MediaTek angegriffen. Nun ist das Unternehmen gezwungen, neue Wege zu gehen und in neue Märkte vorzustoßen, was es auch tut.

Der Weg von Qualcomm, dessen Produktpalette von den codierten Kommunikationsverbindungen für das Militär bis hin zu offenen Kommunikationsstandards für Handynetzwerkbetreiber reicht, begann vor 31 Jahren, als sieben MIT-Absolventen, darunter Irwin Jacobs und Andrew Viterbi, das innovative Unternehmen gründeten. Ihr erster Auftragsgeber war das US-amerikanische Militär, das dringend ein neues, sicheres und zuverlässiges Kommunikationssystem brauchte. Später wurde auf dessen Grundlage der allzu gut bekannte Kommunikationsstandard für die Mobilfunktechnologie CDMA (Code Division Multiple Access) entwickelt. Zu seiner Zeit war CDMA wirklich innovativ und seiner Konkurrenz weit voraus. Es erlaubte nicht nur zu telefonieren, sondern bot auch die Möglichkeit, mobil im Internet zu surfen, was in der heutigen Welt mittlerweile als Selbstverständlichkeit gilt. Zurzeit gilt CDMA neben dem GSM (Global System for Mobile) als einer der wichtigsten Mobilfunkstandards weltweit.

Der mit rund $76,82 Mrd. kapitalisierte Konzern verdient aber sein Geld hauptsächlich nicht etwa mit der Fertigung und dem Vertrieb von Prozessoren und Mikrochips, sondern mit seinem Wissen und seinem technischen Knowhow. Die für die Lizensierung und dessen Vertrieb verantwortliche Abteilung bringt dem Konzern rund 90% des jährlichen Nettogewinns ein, obwohl der Vertrieb von Hardware für Telekommunikationsunternehmen doppelt so hohe Umsatzerlöse vorweist. Der Grund für den relativ kleineren Nettoerlös sind die hohen Ausgaben in die Forschung und Entwicklung, die in den letzten 10 Jahren rund $40 Mrd. betragen haben. In diesem Jahr beläuft sich deren Höhe auf rund $6,5 Mrd. Die Investitionen in die Forschung und Entwicklung scheinen aber im Fall Qualcomm der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Das Unternehmen besitzt fast alle Schlüsselpatente in den Bereichen der mobilen Datenübertragung und verkauft Schaltpläne für integrierte Mikrochipsysteme, die in der Mehrzahl der weltweit verbreiteten Smartphones zu finden sind. Damit verdient Qualcomm rund drei bis fünf Prozent von jedem weltweit verkauften Hardwaregerät, in dessen Inneren ein Chipsystem zur Datenübertragung in 3G- und 4G-Netzen integriert ist. Das momentane Highlight des Unternehmens ist die Plattform Snapdragon 820, die neben den Mikrochips zur Datenübertragung einen Prozessor, Arbeitsspeicher sowie ein Sub-System zur Grafikverarbeitung und -optimierung enthält. Damit werden zurzeit Smartphones mit maximaler Leistungsstärke gefertigt.

Systeme, die auf Qualcomms Mikrochips basieren, sind auch außerhalb der Smartphone-Industrie stark verbreitet. Das Unternehmen unterhält enge Geschäftsbeziehungen mit renommierten deutschen Autoherstellern wie Mercedes Benz, Audi und BMW und unterstützt diese beim Zukunftstrend: Das vernetzte Auto, in dessen Rahmen die Fahrzeuge mit den leistungsstarken Board-Computern auf Qualcomms Snapdragon-Plattform ausgestattet werden sollen. Laut Einschätzungen der Analysten von Gartner wird der Markt für derartige On-Board-Computer-Systeme bereits im Jahr 2020 rund $40 Mrd. erreichen, was in der langfristigen Perspektive unter Umständen auch für steigende Gewinne bei Qualcomm sorgen könnte. Eine weitere Sparte, die das Unternehmen unbedingt erobern möchte, sind die Drohnen. Zurzeit arbeitet der Konzern intensiv an der Entwicklung einer geeigneten Plattform und Sensorausstattung, mit deren Hilfe Quadrocopter wesentlich leichter und smarter werden können sowie imstande wären, sich autonom im Raum zu bewegen und gleichzeitig die erfasste Umgebung zu kartographieren. Das Potential dieser Technologie ist ebenfalls enorm und könnte Qualcomm unter Umständen milliardenhohe Erlöse einbringen. In der zweiten Hälfte dieses Jahres wird Qualcomm auch sein neuestes Produkt, das drahtlose Modem Snapdragon X16, vorstellen. Das Gerät ist imstande, Daten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1Gbit/Sekunde zu empfangen und mit der Geschwindigkeit von bis zu 150 Mbit/Sekunde zu senden. Zum Vergleich: Die Leistung der Vorgängergeneration von Modems liegt bei rund 600 Mbit/Sekunde. Einige Analysten sehen in dem neuen Produkt einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zur 5G-Technologie, die das vorhandene LTE ablösen soll. Es sei auch gesagt, dass der schnelle und umfangreiche Datentransfer eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung und Etablierung der wichtigsten Zukunftstrends wie Virtual Reality, dem vernetzten Auto, Smarthome sowie der Robotik und dem Internet of Things spielen wird. In diesem Sinne scheint Qualcomm gut positioniert zu sein.

Der Aktienkurs des Unternehmens bietet aber zunächst ein trauriges Bild. Die Aktie ist seit gut zwei Jahren in einem Abwärtstrend gefangen und hat bereits mehr als 50% in Bezug auf das historische Maximum von 2014 verloren. Einer der Gründe, der einen sehr starken Druck auf die Aktie von Qualcomm ausübte, war das Überhitzungsproblem der in den Smartphones von Samsung eingebauten Snapdragon-Mikrochips. Es ging sogar so weit, dass Samsung seine eigene Lösung entwickeln und fertigen ließ und die Investoren befürchteten auch zu Recht, dass Samsung Electronics unter diesen Umständen als wichtiger Handelspartner von Qualcomm für mehrere Jahre verloren gehen könnte. Qualcomm konnte das Problem allerdings so weit lösen, dass Samsung sich bereit erklärte, die modifizierten Mikrochips weiterhin von Qualcomm beziehen zu wollen. Den endgültigen Beweis dafür brachte die Präsentation der neuen Samsung-Geräte auf dem Mobile World Congress 2016 vor wenigen Tagen. Sowohl im Samsung Galaxy S7 als auch im Samsung S7 Edge kommt der neue Qualcomm Snapdragon-820-Prozessor zum Einsatz.

Qualcomms Kooperation mit Google ist ebenfalls als positiv zu bezeichnen. Beide Unternehmen arbeiten derzeit an der Entwicklung einer Mikrochip-Lösung für Server-Systeme, was die Stellung von Qualcomm auch in diesem Marktsegment, in dem zurzeit Intel dominiert, wesentlich festigen könnte.

In Anbetracht der breitgefächerten, dennoch hochtechnologischen Positionierung, gepaart mit hohen Dividenden-Erlösen und einer zukünftigen Wachstumsperspektive gehört die Aktie von Qualcomm unbedingt auf die Watchlist, zumal der Aktienkurs aus charttechnischer Sicht endlich eine positive Dynamik zeigt und sich ungeachtet der Marktturbulenzen zunächst über dem GD50-Niveau festigt.


Qualcomm 24.2