dpa-AFX Compact

OTS: Deutschland im Plus - Die Stiftung für private Überschuldungsprävention ...

29.06.2022
um 11:01 Uhr

iff-Überschuldungsreport 2022: Energiekrise verschärft Situation für
Überschuldete
Hamburg/Nürnberg (ots) - "Haushalte mit geringem Einkommen haben kaum
Möglichkeiten, mithilfe von Ersparnissen die Preissteigerungen aufzufangen,
wurden sie doch in vielen Fällen bereits während der Covid-19-Krise aufgezehrt.
Sie können so schnell in eine finanzielle Schieflage geraten", betont Dr. Sally
Peters, Geschäftsführerin des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in
Hamburg.

Seit 2006 veröffentlicht das iff zusammen mit Deutschland im Plus - der Stiftung
für private Überschuldungsprävention den Überschuldungsreport. Hier wird die
Situation der Ratsuchenden von Schuldnerberatungen analysiert. Die
Veröffentlichung der letztjährigen Creditreform-Zahlen sorgte für großes
Erstaunen, denn im Vergleich zum Jahr 2020 sank die Überschuldungsquote um mehr
als einen Prozentpunkt auf 8,86 Prozent, das entspricht 3,08 Mio. Haushalten
bzw. 6,16 Mio. Personen. Hierbei handelt es sich um den niedrigsten Wert seit
Beginn der Auswertungen im Jahr 2004. Dr. Sally Peters warnt hierzu aber: "Die
gesunkene Überschuldungsquote sollte nicht als Zeichen der Entwarnung
interpretiert werden. Erfahrungsgemäß zeigen sich die Auswirkungen
wirtschaftlicher Krisen auf Verbraucherinnen und Verbraucher verzögert. Zudem
ist die finanzielle Lage durch die Energiepreise insbesondere für
Geringverdiener weiterhin sehr angespannt."

Arbeitslosigkeit/reduzierte Arbeit ist auch dieses Jahr wieder der am häufigsten
genannte Grund, fast jeder vierte Überschuldungsfall (23,44 Prozent) ist darauf
zurückzuführen. Es folgen Krankheit (11,77 Prozent), Einkommensarmut mit (11,15
Prozent), Scheidung/Trennung (9,45 Prozent) sowie Konsumverhalten (9,02 Prozent)
und gescheiterte Selbstständigkeit (8,19 Prozent).

Die größte Altersgruppe unter den Ratsuchenden stellen Personen zwischen 30 und
39 Jahren. Das ist nicht überraschend, denn in diese Lebensphase fällt zum
Beispiel auch die Familiengründung, die mit einem erhöhten Finanzbedarf
einhergeht. Der Anteil der Ratsuchenden unter 20 Jahren ist mit 1,14 Prozent im
Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken (2020: 1,37 Prozent), der Anteil der
Altersgruppe über 70 Jahren ist mit 3,10 Prozent hingegen gestiegen (Vorjahr:
2,81 Prozent).

Forderungen aus Ratenkrediten und öffentlich-rechtliche Forderungen machen den
größten Anteil der offenen Forderungen aus

Besonders auffällig ist dabei die Entwicklung der Anteile der Ratenkredite. Lag
dieser zu Hochzeiten (2009) noch bei knapp 24 Prozent, fiel der Anteil bis zum
Jahr 2021 auf 17,42 Prozent. Bei dem Anteil der öffentlich-rechtlichen
Gläubiger, ist der entgegengesetzte Trend zu beobachten: Lag der Anteil der
öffentlich-rechtlichen Gläubiger 2008 noch bei 10,7 Prozent, machen Forderungen
dieser Gläubiger 2021 einen Anteil von knapp 15 Prozent an den gesamten
Forderungen der Beratenen aus. "Das ist eine Entwicklung, die wir mit großer
Sorge betrachtende, denn hier kommt dem Staat eine doppelte Rolle zu: Er ist
einerseits Gläubiger, andererseits beeinflusst er durch seine rechts- und
sozialpolitischen Vorgaben direkt und indirekt die Situation ver- und
überschuldeter Haushalte", so Dr. Sally Peters.

Die mittlere Schuldenhöhe liegt bei 15.680,04 Euro

Mit 33,35 Prozent haben die meisten der Beratenen insgesamt Schulden in Höhe von
weniger als 10.000 Euro. Bei weiteren 22,02 Prozent der Beratenen liegen die
Schulden zwischen 10.0000 und 20.000 Euro. Nur 21,42 Prozent haben Schulden in
Höhe von mehr als 40.000 Euro.

Überdurchschnittliche Belastung bei den Wohnkosten

Der Anteil der Wohnkosten am Einkommen liegt bei Ratsuchenden der
Schuldnerberatung deutlich über dem Anteil der Wohnkosten aller Haushalte in
Deutschland. Bei knapp 25 Prozent der Ratsuchenden beträgt der Anteil an den
Wohnkosten 31-40 Prozent, bei ca. 22 Prozent sogar zwischen 41 und 50 Prozent.
Bei über 10 Prozent der Beratenen liegt der Anteil der Wohnkosten am
Haushaltseinkommen bei über 60 Prozent. Der Anteil der Ratsuchenden, deren
Wohnkosten mehr als 40 Prozent des Einkommens ausmachen, liegt mit 47 Prozent
weit über den bundesweiten Zahlen. Ratsuchende verfügen meistens über ein
unterdurchschnittliches Einkommen. Hinzu kommt, dass Menschen mit finanziellen
Problemen große Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden und somit ihre
Möglichkeiten hohen oder steigenden Mieten auszuweichen, begrenzt sind.

Energiekrise verschärft Situation Überschuldeter

Seit Beginn der Covid-19 Pandemie sind bereits viele Haushalte mit erhöhten
Energiekosten konfrontiert. Pandemiebedingt kam es in vielen Haushalten zu einem
höheren Verbrauch als üblich, die derzeitig stetig steigenden Energiepreise
verschärfen die Lage zusätzlich. Im Zuge des diesjährigen Überschuldungsreports
wurde unter Fachkräften der Schuldnerberatung eine Erhebung zu gestiegenen
Energiekosten und daraus folgenden Themen für die Schuldnerberatung
durchgeführt. Die Frage nach besonders betroffenen Personengruppen bestätigt die
Befunde, dass insbesondere Geringverdiener und sozialleistungsbeziehende
Personen betroffen sind. Die, an der Umfrage teilnehmenden Beratungskräfte
stellen fest, dass Ratenvereinbarungen bei Zahlungsschwierigkeiten eine
Herausforderung sind. Selbst wenn es zu Ratenvergleichen komme, würden die
Versorger häufig hohe Raten verlangen, die wiederum von den Ratsuchenden nicht
zuverlässig bedient werden könnten. So kommt es schnell zu einem Teufelskreis.
Sind Ratsuchende nämlich dann nicht in der Lage ihren Verpflichtungen
nachzukommen, lehnen die Unternehmen Ratenzahlungen mit Hinweis auf bereits
nicht eingehaltene Vereinbarungen ab. "Die Covid-19-Krise ist noch immer nicht
ausgestanden, da kommt nun mit der Energiepreiskrise - befeuert durch den
Ukraine Krieg - gerade auf Armutsbetroffene und Geringverdiener die nächste
Katastrophe zu.", erklärt Dr. Sally Peters. Besonders aussichtsreich ist eine
frühzeitige Kontaktaufnahme der Betroffenen mit der Schuldnerberatung. Dies sei
wiederum nicht immer der Fall. Insbesondere weil die Schreiben der Versorger für
sie unverständlich seien, und aus Scham, auf Beratungsangebote angewiesen zu
sein, würden viele Betroffene viel zu spät die Beratungsstellen aufsuchen.

Niedrigschwellige Hilfe und Prävention für vulnerable Zielgruppen

Um die Scham vor der Schuldnerberatung zu nehmen, bietet die Stiftung
Deutschland im Plus für Betroffene ein niedrigschwelliges Angebot an: eine
kostenlose und anonyme telefonische Erstberatung für Menschen in finanzieller
Not. Die Telefonnummer für die Beratungshotline lautet 0800/5035851 und ist
Montag bis Freitag 10 - 13 Uhr und Dienstag und Donnerstag 15 - 18 Uhr
erreichbar. Zudem ist das Angebot online verfügbar.

https://www.deutschland-im-plus.de/feature/beratungsservice/
(https://www.deutschland-im-plus.de/hilfebeischulden/beratungsservice/)

"Finanzkompetenz ist Lebenskompetenz und deshalb haben wir unsere
Präventionsangebote weiter ausgebaut", berichtet Philipp Blomeyer,
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutschland im Plus. "Wir gehen nun verstärkt
auf die vulnerablen Zielgruppen zu. Dafür arbeiten wir mit Sozialarbeitern an
Schulen zusammen und bieten unsere Workshops zur finanziellen Bildung ganz neu
auch in Kinderheimen an. Mit "Sorglos in den Ruhestand" richten wir uns nun
erstmals auch an die Menschen ab 50 Jahren, um sich auch in einer späteren
Lebensphase nachhaltig vor Überschuldung zu schützen.

Überschuldungsreport (https://www.deutschland-im-plus.de/wp-content/uploads/2022
/06/iff-ueberschuldungsreport-2022.pdf)

Infografik (https://www.deutschland-im-plus.de/wp-content/uploads/2022/06/220615
_Uberschuldung-2022_Storychart.pdf)

Pressekontakt:

Stiftung Deutschland im Plus
Pamela Sendes
Tel. 0911 / 9234 950
mailto:info@deutschland-im-plus.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/71917/5260488
OTS: Deutschland im Plus - Die Stiftung für private Überschuldungs
prävention