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Studie: Mehrheit erkennt Gefahr von Desinformationen für Demokratie

28.02.2024
um 05:21 Uhr

GÜTERSLOH (dpa-AFX) - Die Verbreitung von Desinformationen im Internet wird einer aktuellen Studie zufolge von 81 Prozent der Deutschen als Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt angesehen. Eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung befürchtet Wahlbeeinflussung und Spaltung der Gesellschaft, so das Ergebnis einer am Mittwoch von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh veröffentlichten Studie. Am häufigsten nehmen die Befragten Desinformationen dabei im Zusammenhang mit kontroversen Themen wie Einwanderung, Gesundheit, Krieg und Klimakrise wahr.

Die sozialen Medien sind dabei der Ort, an denen Befragte Desinformationen am häufigsten wahrnehmen, gefolgt von Blogs und Messenger-Diensten. Zwei Drittel vermuten dabei Protest- und Aktivistengruppen als Quelle der Falschinformationen, gefolgt von Bloggern und Influencern (60 Prozent), ausländischen Regierungen (53 Prozent) und Politikern sowie Parteien aus Deutschland (50 Prozent).

Für die nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung repräsentative Studie hat das Meinungsforschungsunternehmen pollytix zwischen dem 4. und 17. Oktober 2023 online 5055 Menschen über 16 Jahren in Deutschland befragt. Das Bewusstsein für die Risiken absichtlicher Falschinformationen für die Demokratie sei in weiten Teilen der Bevölkerung geschärft, bilanzieren die Studienautoren. Was jedoch von den Befragten als absichtliche Falschinformationen im Netz wahrgenommen wird und welche Urheber und Motive sie dahinter vermuten, hängt auch vom Vertrauen der Befragten in die Medienlandschaft und Politik insgesamt zusammen.

Während Desinformationen etwa nach Ansicht der Befragten mit hohem Medienvertrauen vor allem mit dem Ziel verbreitet werden, das Vertrauen in die Politik und Demokratie zu schwächen (93 Prozent), glauben dies laut Studie Menschen mit niedrigem Medienvertrauen deutlich seltener (68 Prozent). Befragte dieser Gruppe glauben dagegen zu 91 Prozent, dass Falschinformationen verbreitet würden, um von Skandalen und politischer Unfähigkeit abzulenken, was nur 63 Prozent der Menschen mit hohem Medienvertrauen annehmen.

Die Studie sortiert ein knappes Drittel der Befragten zur Gruppe mit niedrigem Medienvertrauen. In dieser sind AfD-Wähler überproportional vertreten, die Unzufriedenheit mit der Demokratie ist hier ebenso verbreitet. Hohes Medienvertrauen ist bei 43 Prozent der Befragten ausgeprägt. Die Übrigen werden der Gruppe mit mittlerem Medienvertrauen zugeordnet. Belege für ähnliche Polarisierungen finden sich an mehreren Stellen der Untersuchung. So glauben Grünen-Wähler tendenziell eher, Manipulationen kämen von rechts, AfD-Wähler sehen häufiger das linke Spektrum als Urheber von Desinformationen.

"Die Umfrageergebnisse zeigen auch ein wachsendes Misstrauen gegenüber Medien und Politik bei gleichzeitiger Verunsicherung", sagte Cathleen Berger, Mitautorin der Studie und Digitalexpertin bei der Bertelsmann-Stiftung. "Wenn sich immer mehr Menschen aus dem Diskurs zurückziehen, besteht die Gefahr einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft", so ihre Befürchtung. Trotz Aufmerksamkeit für das Phänomen fehle vielen Menschen die Orientierung, wie sie auf Manipulationen reagieren können, so Berger weiter.

Politik, Medien und Zivilgesellschaft müssten hier aktiver werden: "Wir brauchen bessere Vorgaben. Die sozialen Netzwerke sollten verpflichtet sein, Faktenchecks und Vertrauensbewertungen einzubinden." Außerdem müsse es erleichtert werden, Informationen zu überprüfen und zu melden./fld/DP/zb