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Kritik an Vorstoß für eine Corona-Amnestie

09.04.2024
um 06:19 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Der Vorstoß des früheren Berliner SPD-Regierungschefs Michael Müller, Strafen für Verstöße gegen Corona-Regeln zu erlassen, stößt auch in seiner eigenen Partei auf Kritik. Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Die Verhältnismäßigkeit einzelner Corona-Maßnahmen kann nicht im Rahmen von Amnestieregelungen geklärt werden." Amnestien, also die Aufhebung von rechtskräftig verhängten Strafen oder Bußgeldern, seien in einem Rechtsstaat die absolute Ausnahme. "Regeln, auf die wir uns als Gesellschaft einigen, funktionieren nur, wenn sie auch eingehalten werden", sagte Eichwede.

Auch der rechtspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Günter Krings (CDU), meinte: "Eine Amnestieregelung - wie sie Michael Müller nun ins Spiel bringt und auch bereits von der AfD in Mecklenburg-Vorpommern gefordert wurde - lehne ich ab." Eine "nachträgliche Massen-Amnestie" durchkreuze das Gewaltenteilungsprinzip und greift die Stabilität des Rechtsstaates an. "Sie würde Richter, Staatsanwälte, Polizisten und andere Beamte in ein merkwürdiges Licht rücken. Sie haben vollkommen korrekt gearbeitet und würden jetzt so hingestellt, als hätten sie etwas falsch gemacht", sagte Krings.

Hingegen sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Helge Limburg, dem RND: "Gerade am Anfang der Pandemie gab es einige Regeln, die aus heutiger Sicht überzogen waren, etwa dass Menschen zwar im Park spazieren, aber sich nicht auf allein einer Parkbank sitzend aufhalten durften." In solchen Fällen, insbesondere bei geringfügigen Erstverstößen, sollten die Ordnungsbehörden laut Limburg ihren Spielraum nutzen und großzügig von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, noch offene Verfahren einzustellen.

Zustimmung für eine mögliche Amnestie kam auch aus der FDP. Vize-Fraktionschef Christoph Meyer sagte dem "Tagesspiegel": "Die Forderung von Michael Müller ist selbstverständlich und zeigt die Notwendigkeit der Corona-Aufarbeitung gegenüber den Bürgern." Auch Linken-Parteichef Martin Schirdewan sagte: "Eine Amnestie ist richtig. Die Verhältnismäßigkeit wurde während der Pandemie zu oft nicht gewahrt."

Müller, der heute Bundestagsabgeordneter ist, hatte dem "Tagesspiegel" gesagt: "Wir wissen aus heutiger Sicht, dass manche Maßnahmen nicht so zwingend waren, wie wir damals dachten." Deshalb könne man über eine Amnestie nachdenken. Es müsse allerdings juristisch nachvollziehbar sein, welche Verfahren warum eingestellt würden./bg/DP/mis