Reuters

Altmaier will EuGH-Urteil zu Arbeitszeiten vorerst nicht umsetzen

21.05.2019
um 14:22 Uhr

Berlin (Reuters) - Das Bundeswirtschaftsministerium will das jüngste EuGH-Grundsatzurteil zur Dokumentation von Arbeitszeiten nicht einfach hinnehmen.

"Wir prüfen aktuell, ob es überhaupt einen Umsetzungsbedarf aus dem Urteil gibt. Hierzu werden wir ein Rechtsgutachten beauftragen, um diese Frage zu klären", teilte das Ministerium am Dienstag mit. Es soll bis zur Sommerpause vorliegen. "Das EuGH-Urteil lässt Auslegungsspielraum. Auch nennt es keine bestimmte Frist, in welcher Mitgliedstaaten tätig werden müssen."

Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge sind Unternehmen verpflichtet, verlässliche Systeme einzurichten, mit denen Angestellte und Arbeiter ihre Arbeitszeit belegen können. Nur so lasse sich bei späteren Streitigkeiten vor Gerichten oder Behörden ein verbindlicher Nachweis über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit erbringen. Eine Aufstellung allein der Überstunden sei nicht ausreichend. Urteile des höchsten europäischen Gerichts gelten eigentlich in der gesamten EU. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will das Urteil zügig umsetzen.

Die Arbeitgeber in Deutschland hatten die Entscheidung dagegen scharf kritisiert. Sie fürchten weitere bürokratische Auflagen und sprechen von der Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert. Das vom CDU-Politiker Peter Altmaier geführte Wirtschaftsministerium betonte, es gehe darum, das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Vertrauensverhältnis zu erhalten. "In der Praxis gibt es viele unterschiedliche und gut funktionierende Modelle von Vertrauensarbeit." Firmen seien jetzt schon zur Messung der Arbeitszeit verpflichtet, könnten die Dokumentation aber an den Arbeitnehmer delegieren.

Altmaier hatte zuletzt gesagt, angesichts der deutlichen Konjunkturabkühlung dürfe die Wirtschaft nicht mehr zusätzlich belastet werden. Durch einen Abbau von Bürokratie will er Firmen stattdessen spürbar entlasten. Dazu soll es nächste Woche zwischen den Ministerien Verhandlungen geben.