Reuters

Experte - CO2-Preis entscheidend für Erfolg von Klimaschutz

19.09.2019
um 16:42 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer hat den Erfolg der Klimaschutzmaßnahmen der großen Koalition an ein einziges Kriterium geknüpft: Statt milliardenschwere Förderprogramme zu versprechen, müssten CDU, CSU und SPD die Bepreisung von CO2 in Verkehr und Bau in den Mittelpunkt stellen.

Als Einstiegspreis nannte Edenhofer im Reuters-TV-Interview am Donnerstag dabei einen Fixpreis von 35 bis 50 Euro pro Tonne des Treibhausgases. "Viel wichtig ist aber, dass sich die Politik verpflichtet, dass dieser Preis steigt", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der die Bundesregierung in Klimafragen berät. Die Politik müsse jetzt klar sagen, "mit welcher Geschwindigkeit der Preis steigen soll". 2030 dürfte eine Tonne CO2 demnach rund 130 Euro kosten.

"Man könnte es als Erfolg bezeichnen, wenn morgen eine glaubwürdige Reform der CO2-Bepreisung auf den Tisch gelegt wird", sagte Edenhofer mit Blick auf die Entscheidung des Klimakabinetts am Freitag. Zugleich warnte er vor der ständigen Überschätzung der in der Öffentlichkeit diskutierten Einzelmaßnahmen, die alle nicht entscheidend für das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele bis 2030 seien. "Wenn das morgen nur ein wildes Durcheinander an Förderprogrammen ist und ein wildes Durcheinander an Subventionen, dann würde ich sagen, war es ein Misserfolg." Er glaube, dass die Förderprogramme "ganz wenig Wirkung" haben würden.

Am Ende des Tages werde Deutschland daran gemessen, wie stark die Emissionen sinken. "Wenn die Politik morgen die falschen Entscheidungen fällt, werden Strafzahlungen von drei bis sechs Milliarden Euro fällig", sagte Edenhofer mit Blick auf die jährlichen EU-Vorgaben zur Reduzierung der Treibhausgase in den kommenden Jahren. "Deswegen ist es für die Politik hochgradig risikoreich, Förderprogramme aufzulegen, die teuer sind - und dann auch noch Strafzahlungen zu riskieren."[nL5N26A2NN]

"DEUTSCHLAND IST KEIN VORREITER"

Der Weg der Bepreisung über eine CO2-Steuer oder ein Emissionshandelssystem sei eher eine nachgeordnete Frage, sagte Edenhofer. "Hier lohnt kein Glaubenskrieg." Über die Brücke eines anfänglichen Fixpreises könnte auch die SPD einem Emissionshandel für Verkehr und Bau zustimmen. Edenhofer forderte die Festsetzung eines Mindest- und eines Höchstpreises - dieser Korridor müsse in den nächsten Jahren steigen. Der Mindestpreis steuere die ökologische Wirkung, der Höchstpreis sei Schutz vor sozialen Verwerfungen.

Dieser Mindestpreis müsse dabei auch im bereits existierenden europäischen Emissionshandelssystem für die Bereiche Industrie und Energie eingeführt werden, forderte Edenhofer. Damit könnte ein Preisverfall wie in früheren Jahren vermieden werden, als Zertifikate unter zehn Euro pro Tonne gehandelt wurden. Entscheidend sei die Bereitschaft der Politik nachzusteuern, wenn sie merke, dass die CO2-Einsparziele nicht erreicht würden. Der Druck entstehe sicher über Umweltbewegungen wie "Fridays for Future", vor allem aber wegen der drohenden milliardenschweren EU-Sanktionen. "Deutschland ist kein Vorreiter", wies Edenhofer Kritik zurück, dass die Bundesregierung mit Klimaanstrengungen vorpresche.

Zur Entlastung vor allem einkommensschwacher Haushalte befürwortet der Klimaexperte eine Senkung der Stromsteuer und die Finanzierung der EEG-Umlage durch die Einnahmen aus dem CO2-Zertifikate-Handel. Dagegen sollte der Klimafonds, über den das Finanzministerium die Förderprogramme finanzieren will, eine eher untergeordnete Rolle spielen. Die Politik müsse den Paradigmenwechsel wagen und ganz auf eine ökologische Lenkungswirkung über den CO2-Preis setzen. Dies sei effizienter und billiger. Es hätte zudem eine enorme Vorbildwirkung, wenn die Bundesregierung für ihre Investitionsentscheidungen selbst mit einem CO2-Preis planen würde.