Reuters

Libyen-Konferenz einigt sich auf Waffenruhe und Waffenembargo

20.01.2020
um 07:22 Uhr

- von Andreas Rinke und Ulf Laessing

Berlin (Reuters) - Die in den Libyen-Krieg involvierten Staaten haben sich am Sonntagabend in Berlin auf eine Waffenruhe in dem nordafrikanischen Land geeinigt.

Auch Länder wie Russland, die Türkei, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emiraten sagten zu, dass sie künftig auf die Lieferung von Waffen und Soldaten für die Bürgerkriegsparteien verzichten wollten. UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte, damit sei vorerst die Gefahr eines von Libyen ausgehenden regionalen Krieges verhindert worden. Die Teilnehmerstaaten der Konferenz wollten den Weg zu einer politischen Lösung in Libyen ab jetzt "sehr engmaschig" begleiten, sagte Kanzlerin Angela Merkel als Gastgeberin. Die Frage eines europäischen oder gar deutschen Einsatzes für die Überwachung eines Waffenstillstands sei aber verfrüht, sagte sie. Außenminister Heiko Maas sprach davon, dass man den Schlüssel für die Lösung des Libyen-Konflikt gefunden habe.

Die hochkarätige Konferenz, an der auch der russische Präsident Wladimir Putin, sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan sowie die Außenminister der USA und Chinas teilnahmen, hatte am Sonntagnachmittag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Kanzleramt begonnen. Am Ende konnte sich Merkel mit den Vertretern von zwölf Staaten sowie Vertretern der EU, der Afrikanischen Union, der UN und der Arabischen Liga auf ein 55 Punkte umfassendes Papier einigen, das auch Regelungen für einen Wiederaufbau oder die Kontrolle der libyschen Ölvorkommen vorsieht. Der UN-Sicherheitsrat soll nun einige Vereinbarungen wie etwa das Waffenembargo in eigene Beschlüsse gießen.

Auch der libysche Ministerpräsident Fajes al-Serradsch sowie der abtrünnige General Chalifa Haftar, der ihn stürzen will, waren im Kanzleramt und hatten dort Merkel sowie Maas getroffen. Beide sagten erstmals zu, Vertreter in eine Militärkommission unter UN-Leitung zu entsenden, um über eine Deeskalation zu sprechen. Mehrere Teilnehmer-Regierungen lobten nach der Konferenz Fortschritte und bekannten sich zu den Beschlüssen. Die Kriegsparteien hätten "kleine Schritte" über die am 13. Januar in Moskau versuchte Einigung hinaus gemacht, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Anspielung auf einen gescheiterten türkisch-russischen Versuch, eine Waffenruhe zu vermitteln.

Seit der Eskalation der Kämpfe im April 2019, als Haftar eine neue Offensive gegen die Regierung in Tripolis gestartet hatte, gab es die Sorge, dass sich in Libyen wie in Syrien ein Stellvertreterkrieg entwickelt. Russland, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützten Haftar, die Türkei die libysche Regierung militärisch. Kanzlerin Merkel zeigte sich zufrieden nach der Konferenz, dass die EU-Staaten nach langer Zeit des Streits über die Libyen-Politik vor allem zwischen Frankreich und Italien nun an einem Strang ziehen würden.

Deutschland hatte sich 2019 massiv in die Gespräche eingeschaltet, nachdem Vermittlungsversuche etwa durch Paris und Rom gescheitert waren. Der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, dankte Merkel und Maas für ihren Einsatz. Er habe mit der Kanzlerin bereits am 15. August 2019 über die Notwendigkeit gesprochen, die UN-Vermittlung für Libyen zu unterstützen. Daraufhin habe Merkel "enthusiastisch" den sogenannten Berliner Prozess begonnen, der zur Konferenz führte.

Keine Rolle spielte bei dem Gipfel nach Angaben von Merkel und Guterres die Frage, ob die EU mit einer Militärmission einen Waffenstillstand überwachen solle. Soweit sei man noch nicht. "Wir haben eine Waffenruhe, aber noch keinen echten Waffenstillstand", mahnte Guterres. Falls dieser komme, müsse man überlegen, welche internationalen Organisationen helfen könnten, dass dieser eingehalten werde. Europa werde aber eine wichtige Rolle in allen Bereichen spielen - sowohl bei der Sicherheit, dem Wiederaufbau der Wirtschaft, dem politischen Prozess und bei der humanitären Hilfe. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte vor der Konferenz gesagt, dass die EU auf jede Hilfe vorbereitet sein müsse, die gewünscht werde. Außenminister Maas betonte, dass erneut Deutschland Anfang Februar Gastgeber beim Auftakt der Arbeitsgruppen zu diesen vier Felder sein werde.

SORGE UM LIBYSCHE ÖLVORKOMMEN

Ein entscheidender Punkt in einem Friedensprozess könnte die Kontrolle der Ölvorkommen in dem rohstoffreichen Land bekommen. Maas sagte, man habe mit al-Serradsch und Haftar über die Frage der Verteilung der Öleinnahmen gesprochen. UN-Generalsekretär Guterres zeigte sich sehr besorgt, dass mit Haftar verbündete Milizen in den vergangenen Tagen nicht nur Ölhäfen blockiert, sondern auch die Ölförderung in einem Feld völlig zum Erliegen gebracht hätten. Die staatliche Firma NOC sei Libyens "einziges unabhängiges und rechtmäßiges Erdölunternehmen", heißt es in der Erklärung. Alle Parteien seien nachdrücklich aufgefordert, Angriffe auf Erdölanlagen und die Erdölinfrastruktur zu unterlassen. Die Kontrolle der Öleinnahmen ist für die Kriegsparteien wichtig, weil damit Waffenkäufe und Söldner finanziert wurden.

Zudem wird das Thema Wiederaufbau für das Land angegangen, in dem seit dem Sturz des Machthabers Muammar Ghaddafi im Jahr 2011 durch die USA, Frankreich und Großbritannien ein Bürgerkrieg tobte. "Wir regen die Schaffung eines Wiederaufbaumechanismus für Libyen an, der die Entwicklung und den Wiederaufbau in allen Regionen unter der Federführung einer neuen, repräsentativen und geeinten Regierung fördert", heißt es in der Abschlusserklärung.