Reuters

Corona-Virus lehrt Europas Anleger das Fürchten

23.01.2020
um 11:47 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die Furcht vor einer weltweiten Ausbreitung des neuen Coronavirus aus China hat Europas Börsianer am Donnerstag verunsichert.

In Frankfurt verabschiedeten sich zudem viele Anleger nach dem jüngsten Dax-Rekordhoch wieder von der Börse. Der deutsche Leitindex gab am Vormittag 0,4 Prozent nach auf 13.460 Punkte. Der EuroStoxx50 notierte 0,2 Prozent schwächer bei 3763 Zählern. "Die Furcht vor einer flächendeckenden Ausbreitung des Virus stiehlt den Anlegern derzeit die Freude über die jüngste Rekordmarke auf dem Frankfurter Börsenparkett", sagte Marktanalyst Timo Emden.

Thomas Altmann, Portfoliomanager bei der Vermögensverwaltung QC Partners, sprach von Gewinnmitnahmen. "In der Summe sind die Börsen zu schnell zu stark gestiegen. In einem solchen Umfeld reicht ein neuer Risikofaktor wie das Coronavirus, um eine erste Verkaufswelle auszulösen." An dem Virus sind Hunderte Menschen erkrankt, 17 sind gestorben. Die chinesischen Behörden stellten inzwischen die Millionenstadt Wuhan unter Quarantäne.

Auf der Verkaufsliste standen die Aktien von Luxusgüter-Herstellern wie Kering, LVMH oder Hermes,die stark vom China-Geschäft abhängig sind, sowie Papiere von Luftfahrt- und Reiseunternehmen wie Easyjet oder Intercontinental Hotels. In China steht am Wochenende der Beginn des Neujahrsfests bevor. Viele Chinesen nutzen die tagelangen Feiertage, um Verwandte zu besuchen oder ins Ausland zu reisen. Die neue Lungenkrankheit könnte die Reiselust bremsen.

Auch am Rohstoffmarkt schürte das Virus die Angst vor wirtschaftlichen Folgeschäden. Die Preise für Rohöl und Industriemetalle wie Kupfer und Nickel fielen auf die tiefsten Stände seit teilweise knapp zwei Monaten. Rohöl der Nordseesorte Brent kostete bis zu 1,8 Prozent weniger. "Die Investoren konzentrieren sich auf das Coronavirus in China und darauf, wie es die Rohstoffnachfrage beeinflussen könnte", kommentierten die Analysten des Bankhauses ANZ. Hinzu kämen steigende Lagerbestände, die Spekulationen auf eine geringere Nachfrage schürten.

HOCHTIEF LEIDET UNTER CIMIC-RÜCKZUG AUS NAHOST

Die Hochtief-Aktien standen mit einem Minus von bis zu 9,8 Prozent am Ende des Mittelwerteindex MDax. Sie litten unter dem Rückzug der australischen Tochter Cimic aus dem Nahen Osten. Cimic trennt sich von seinen Anteilen an der Baugesellschaft BIC Contracting. Das führt zu finanziellen Belastungen, die sich auf den Essener Konzern durchschlagen. Auch die Anteilsscheine des spanischen Hochtief-Großaktionärs ACS wurden in Mitleidenschaft gezogen: Sie gaben bis zu 7,1 Prozent nach und damit so stark wie seit Juni 2016 nicht. Die Cimic-Papiere sackten sogar um fast 20 Prozent ab, das ist der stärkste Tagesverlust seit 2004.

Ein überraschend starkes Abschlussquartal sorgte bei den Aktionären von STMicro dagegen für Kauflaune. Die Papiere schnellten um bis zu 6,3 Prozent nach oben und notierten so hoch wie seit 2002 nicht mehr. Der französisch-italienische Chiphersteller hat mit seinen Zahlen zum Schlussquartal die Erwartungen der Analysten übertroffen. Eine starke Nachfrage nach Chips für Smartphones und energiesparende Autos glich dabei einen Rückgang bei den traditionelleren Produkten aus. STMicroelectronics beliefert unter anderem den iPhone-Hersteller Apple und den Elektroautopionier Tesla. "Es sind starke Zahlen und Prognosen", urteilten die Experten der US-Großbank JP Morgan.