Reuters

Epidemie ängstigt Anleger - "Der Dax fällt wie ein Stein"

26.02.2020
um 11:52 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Das in immer mehr Ländern grassierende Coronavirus schürt an Europas Börsen die Angst vor einem Konjunkturknick.

Der deutsche Leitindex Dax fiel am Mittwoch in der Spitze um 3,3 Prozent auf 12.368 Punkte - den tiefsten Stand seit mehr als viereinhalb Monaten. Im Vergleich zum Vorwochenschluss hat er bereits mehr als siebeneinhalb Prozent abgegeben. "Der Dax fällt wie ein Stein, die Nerven liegen blank", kommentierte Marktstratege Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets. Auch an den übrigen europäischen Aktienmärkten ging es weiter abwärts: Der EuroStoxx50 sackte um bis zu 2,9 Prozent auf 3467 Zähler ab und notierte so niedrig wie seit Mitte Oktober nicht mehr.

Das Virus ist mit mehreren Infizierten mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Besonders stark betroffen ist Italien. Insgesamt starben in China bislang 2715 Menschen an den Folgen der Lungenkrankheit. "Mit einer globalen Verbreitung des Virus würden die ökonomischen Belastungen eine neue Dimension erreichen", sagte Anlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank. Rabobank-Analyst Michael Every sagte: "Die Auswirkungen werden wahrscheinlich mehr der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 bis 2009 gleichen als den Auswirkungen der SARS-Epidemie 2003."

Viele Anleger flüchteten in "sichere Häfen". So stieg der Preis für die "Krisen-Währung" Gold um mehr als ein Prozent auf 1651 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Zuflucht suchten die verunsicherten Investoren auch bei Bundesanleihen, was die Renditen drückte. Die zehnjährigen Titel rentierten mit minus 0,52 Prozent so niedrig wie zuletzt vor viereinhalb Monaten.

ANLEGER RECHNEN FEST MIT EZB-ZINSSENKUNG 2020

Auch am Rohstoffmarkt spiegelte sich die Angst vor einem Rückschlag für die Weltwirtschaft wider. Die Ölpreise gaben den vierten Tag in Folge nach. Ein Fass der Nordseesorte Brent verbilligte sich um 1,2 Prozent auf 54,28 Dollar. "Die Realität ist, dass das Coronavirus nicht eingedämmt wurde und sich jetzt wie ein Lauffeuer über die Welt verbreitet, und man kann diesen Geist nicht wieder zurück in die Flasche tun", sagte Stratege Stephen Innes vom Handelshaus AxiTrader. Der Preis für das wichtige Industriemetall Kupfer fiel um bis zu 0,5 Prozent auf 5656 Dollar je Tonne.

Immer mehr Investoren tippen darauf, dass die Zentralbanken mit Zinssenkungen gegensteuern werden. So wird an den Geldmärkten mittlerweile zu 100 Prozent eingepreist, dass die Europäische Zentralbank bis Dezember ihre Strafzinsen für Banken weiter verschärft. Erwartet wird, dass die Währungshüter bis dahin ihren Einlagenzins von derzeit minus 0,5 Prozent auf minus 0,6 Prozent weiter herabsetzt. Ein negativer Satz bedeutet, dass Geschäftsbanken Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken. Einige Experten sehen darin allerdings kein Heilmittel. "Um es offen zusagen, wird die EZB niemanden von der Krankheit heilen. Man kann sogar Zweifel daran haben, wie Zinssenkungen zum Wirtschaftswachstum beitragen würden", sagte ING-Zinsstratege Antoine Bouvet.

FLUGGESELLSCHAFTEN UNTER DRUCK

An den Aktienmärkten standen vor allem die von den Virusfolgen stark beeinträchtigten Fluggesellschaften auf den Verkauflisten. Die Titel von Lufthansa, Air France- und der British Airways-Mutter IAG verloren bis zu 3,5 Prozent. Die auf innereuropäische Verbindungen spezialisierten Billig-Flieger Ryanair und EasyJet fielen um bis zu 5,3 Prozent.

Auch die als besonders konjunkturabhängig geltenden Sektoren Autobauer, Chipwerte, Banken und Luxusgüter-Hersteller mussten erneut Federn lassen. Die Aktien von Wirecard waren mit einem Minus von knapp fünf Prozent größter Dax-Verlierer. Einem Händler zufolge trübten magere Zahlen eines französischen Konkurrenten die Stimmung. Der Zahlungsabwickler Ingenico sei mit Umsatz und Ergebnis 2019 hinter den Erwartungen zurückgeblieben.