Reuters

Coronavirus stellt K-Frage bei Union völlig auf den Kopf

30.03.2020
um 11:07 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Manchmal klingt ein Lob vergiftet - etwa bei CSU-Chef Markus Söder.

Im "Spiegel"-Interview lobt er den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) dafür, dass dieser in der Corona-Krise auf den bayerischen Weg eingeschwenkt sei. "Diejenigen, die skeptisch waren, machen am Ende doch mit, zum Beispiel Armin Laschet", sagte Bayerns Ministerpräsident genüsslich. "Er war zu Beginn zurückhaltend bei Schulschließungen. Zwei Tage später hat mich Armin wissen lassen: 'Du hast recht.' Das hat Größe." Das Lob sei aber weniger Anerkennung für Laschet, sondern ein Hinweis darauf, dass Söder selbst alles richtig gemacht habe, heißt es in der CDU dazu. Und die Hakeleien werden auch als Teil des Rennens um den Kanzlerkandidaten der Union gesehen.

Tatsächlich hat das Coronavirus die Personalplanungen in der Union völlig über den Haufen geworfen. Im Februar sah es noch so aus, als würde die CDU im April einen neuen Vorsitzenden wählen. Und die Kandidaten Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen suchten nach den richtigen Positionierungen und Profilen. Aber nur wenige Wochen später dominiert die Corona-Krise derart das öffentliche Leben, dass Röttgen seinen Wahlkampf vorerst einstellte und die noch amtierende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Merz rüffelte, als er noch eine Wahlkampfmanagerin vorstellte. Nun ruht das Kandidatenrennen ganz offiziell. Und die leise, aber einflussreiche CDU-Organisation der Kommunalpolitikvereinigung KPV, die rund 75.000 Mandatsträger der Partei auf lokaler Ebene organisiert, forderte die drei rundweg auf, den Wahlkampf ganz zu beenden. Das Trio solle sich untereinander einigen, wer CDU-Chef werde, forderte der KPV-Vorsitzende Christian Haase.

UNION PROFITIERT IN UMFRAGEN - ABER GRUNDPROBLEME BLEIBEN

Seither ist alles anders - und paradoxerweise erklärt gerade dies nach Ansicht von Forsa-Chef Manfred Güllner am besten, wieso die Union plötzlich einen Aufschwung in den Umfragen erlebt und auf 36 Prozent klettert - den besten Wert seit der Bundestagswahl 2017. "Möglich wurde das dadurch, dass die Union derzeit den Erwartungen der meisten Bürger gerecht wird", sagte Güllner. "Sie beschäftigt sich nicht mehr in erster Linie mit sich selbst, sondern kümmert sich um das, was die Bürger bewegt und sorgt."

Allerdings macht es das für die Union nicht unbedingt einfacher. Denn irgendwann muss sie eine Personal-Entscheidung fällen. Und parteiintern wird zudem vermutet, dass die CDU derzeit vor allem vom Image von Kanzlerin Angela Merkel in der Krise profitiert. Aber Merkel tritt bei der nächsten Bundestagswahl gar nicht mehr an, was die Werte schnell wieder nach unten treiben könnte.

Zudem stellen sich viele Beobachter die Frage, ob das Trio Laschet-Merz-Röttgen noch die richtige personelle Antwort auf die Frage ist, wie sich die CDU für die Zukunft aufstellen sollte. Röttgens Profil als Außen- und Umweltpolitiker ist derzeit nicht gefragt. Und der Corona-infizierte Merz kann ebenfalls nur von der Seitenlinie kommentieren. "Er könnte erst dann wieder ins Spiel kommen, wenn in einer Wirtschaftskrise sein Sachverstand gefragt wird", heißt es CDU-intern.

Gefragt sind derzeit eindeutig die "Macher", also Ministerpräsidenten wie Laschet und Söder - oder auch Gesundheitsminister Jens Spahn. "Hält die Krise so an, läuft alles auf Laschet hinaus", meint ein CDU-Politiker. Aber auch Spahn punktet als Krisenmanager. Offiziell hat er auf seine Kandidatur verzichtet und sich hinter den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten gestellt. Schon sticheln Gegner von Laschet in der CDU, dass das Team Laschet-Spahn eigentlich ein Team Spahn-Laschet sein sollte. Spahn könne eher die Brücke zu den konservativen und wirtschaftsliberalen Kräften in der CDU schlagen. Dagegen gilt Laschet mehr als "Mitte-Politiker". Als denkbar gilt bei Spahns Anhängern weiter die Variante, dass Laschet zwar CDU-Chef, Spahn dann aber Kanzlerkandidat werden könnte.

SCHLECHTESTER VORSITZENDER SEIT JAHREN

Bleibt CSU-Chef Söder, der mehrfach deutlich erklärt hat, dass er sich nicht als Kanzlerkandidat der Union sehe - ein Bayer werde bundesweit nun mal nicht gewählt. Söders entschlossen wirkendes Auftreten in der Corona-Krise hat ihn in Umfragen aber weit nach vorne katapultiert. Teilweise wird er als beliebtester Politiker Deutschlands eingestuft. Söder profitiert davon, dass seine harte Haltung etwa bei der Einschränkung des öffentlichen Lebens später von anderen Ländern übernommen und er deshalb als Vorreiter angesehen wurde.

Bisher hat Söder gesagt, dass er sich aus dem Rennen in der Schwesterpartei heraushalten wolle - obwohl mehrfach kolportiert wurde, dass er in vertraulichen Gesprächen nur Laschet als geeigneten Kandidaten auf den CDU-Parteivorsitz nennt. Aber der CSU-Chef hat gleichzeitig deutlich gemacht, dass die anschließende K-Frage nur mit ihm zusammen und gleichberechtigt geklärt werde. Das hat die Spekulationen aufkommen lassen, dass Söder am Ende doch noch seinen Hut in den Ring wirft, wenn bundesweit der Ruf nach seiner Person ertönen sollte.

In die Quere kommen könnte Söder nach Angaben aus CDU-Kreisen allerdings, dass ihm von CDU-Landeschefs vorgeworfen wird, der schlechteste Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz seit Jahren zu sein - weil er immer nur bayerische Interessen im Kopf habe und keine Abstimmung suche. Im "Spiegel"-Interview betont der CSU-Chef wohl auch deshalb demonstrativ die engen Absprachen "mit den Freunden aus dem Saarland, Baden-Württemberg, Sachsen oder Sachsen-Anhalt". Er will nicht isoliert erscheinen. Aber ob Söder am Ende zugreifen wolle, werde auch von der Stärke des nächsten CDU-Chefs abhängen, heißt es in der Union.