Reuters

Merkel verteidigt längeren Lockdown gegen harte Kritik

11.02.2021
um 13:12 Uhr

- von Andreas Rinke und Alexander Ratz

Berlin (Reuters) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die von Bund und Ländern beschlossene Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März gegen harte Kritik aus der Wirtschaft und der Opposition verteidigt.

"Ich glaube nicht, dass das Hin und Her - einmal Öffnen, einmal Schließen - für die Menschen mehr Berechenbarkeit bringt als ein paar Tage länger zu warten", sagte Merkel am Donnerstag bei einer Regierungserklärung im Bundestag. Die Bund-Länder-Beschlüsse seien "geeignet, erforderlich und verhältnismäßig". Denn es sei absehbar, dass sich die hochansteckenden Virus-Varianten immer stärker ausbreiten würden. Die Mutanten seien eine "sehr reale Gefahr". Die Opposition kritisierte die Beschlüsse scharf. Der Handelsverband HDE sprach von einem "Wortbruch der Politik".

Bund und Länder hatten am Mittwoch die Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März beschlossen, aber Öffnungen für Schulen in Eigenregie der Länder und die Öffnung der Friseure ab dem 1. März möglich gemacht. Es sei richtig, dass man sich für weitere Öffnungsschritte keine Daten gesetzt habe, sondern diese an Inzidenz-Werte binde, sagte Merkel. Man habe aber für Einzelhandel, Museen und Galerien eine Öffnungsperspektive vereinbart, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 sinke. Der Wert gibt an, wie viele Menschen innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner neu positiv getestet werden. Zugleich betonte die Kanzlerin, dass sie selbst für eine spätere Öffnung der Grundschulen plädiert habe, die Länder aber die Kultushoheit hätten. Viele wollen die Schulen bereits am 22. Februar wieder öffnen. Sie sehe gute Chancen, dass Anfang März bundesweit eine Sieben-Tages-Inzidenz von 50 erreicht werden könne.

Sie ging am Donnerstag auf 64,2 (Vortag: 68,0) weiter zurück, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) mitteilte. Das RKI meldete 10.237 neue Fälle, in denen Menschen positiv auf Corona getestet wurden, erneut weniger als am Donnerstag der Vorwoche. Weitere 666 Menschen starben, die positiv getestet worden waren. Die Lage in den Bundesländern ist aber weiter unterschiedlich. So verzeichnete Rheinland-Pfalz laut RKI die niedrigste Inzidenz mit 55,3, Thüringen dagegen die höchste Inzidenz mit 105,6.

Rheinland-Pfalz möchte noch vor Ostern Erziehern und Lehrern ein Impfangebot machen. Das kündigte die Ministerpräsidentin Malu Dreyer an und verwies darauf, dass Bund und Länder vorgeschlagen hatten, die Impfpriorität für diese Berufsgruppe nach oben zu rücken. "Wir warten jetzt auf die Impfverordnung vom Bundesgesundheitsminister", sagte die SPD-Politikerin, die am 14. März ihr Amt in Landtagswahlen behaupten will.

Merkel bekräftigte zudem die Zusage der Regierung, allen Bürgern bis Ende des Sommers ein Impfangebot zu machen. Die Regierung werde überall tätig werden, wo es die Möglichkeit gebe, die Produktion von Corona-Impfstoff noch zu erhöhen.

Die Kanzlerin sagte zugleich, dass die zweite große Corona-Welle im Herbst wegen mangelnder Konsequenz der Beschlüsse eingesetzt habe. Man habe nicht ausreichend auf die Warnungen einiger Wissenschaftler vor einem erneuten Hochschnellen der Infektionszahlen gehört. Auch im Oktober hatten die Ministerpräsidenten härtere Maßnahmen zunächst abgelehnt. Eine Überlastung des Gesundheitssystem habe dennoch vermieden werden können.

ZUSTIMMUNG UND KRITIK

Die Reaktionen auf die Bund-Länder-Beschlüsse fielen sehr unterschiedlich aus: Ärztepräsident Klaus Reinhardt nannte die begrenzte Verlängerung des Lockdowns in der "Rheinischen Post" unvermeidlich. "Wir hätten uns gewünscht, dass Bund und Länder auch Grundsatzentscheidungen darüber treffen, wie wir schrittweise mit vernünftigen Hygienekonzepten erste Eindämmungsmaßnahmen zurückfahren können, sobald sich die Infektionslage weiter verbessert hat", fügte er aber hinzu.

Mehrere Wirtschaftsverbände zeigten sich dagegen enttäuscht, dass es etwa für den Handel eine Öffnungsperspektive erst nach dem 7. März und dann beim Unterschreiten einer Inzidenz von 35 geben soll. "Es ist gestern keine Öffnungs-, sondern eine Schließungsstrategie verabschiedet worden", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth vom Einzelhandelsverband HDE. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) widersprach im NDR-Info-Radio. "Immer wieder hoch- und runterzufahren ist nicht im Sinne des Handels", sagte er. Im Augenblick sei es für die Geschäftsleute entscheidend, dass die vom Bund zugesagten Hilfen ausgezahlt würden. Die Anträge für Überbrückungshilfe III können seit Mittwoch gestellt werden.

Harte Kritik kam auch aus der Opposition: FDP-Chef Christian Lindner mahnte eine größere Beteiligung des Parlaments bei den Beschlüssen an. Das derzeitige Vorgehen in den Entscheidungsrunden von Bund und Ländern dürfe nicht zur "Staatspraxis" werden. Er forderte erneut einen Stufenplan für die nächsten Öffnungsschritte. AfD-Fraktions-Co-Vorsitzende Alice Weidel sagte, eine "Kungelrunde" habe erneut massive Eingriffe im Leben der Menschen beschlossen. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte, dass der Bundestag erneut erst nach den Beschlüssen informiert werde. "Für die Linke bleibt es inakzeptabel." Er warf der Regierung zudem vor, nicht genug Impfstoff beschafft zu haben.