Reuters

EU will Handelsinteressen aggressiver gegen USA und China verteidigen

18.02.2021
um 16:37 Uhr

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die Europäische Union plant eine aktivere Handelspolitik gegenüber den USA und China.

Außerdem soll die weitgehend gelähmte Welthandelsorganisation WTO gestärkt werden, um Regeln durchsetzen und Streitigkeiten schlichten zu können, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Strategieüberprüfung der EU-Kommission. Die EU hofft, dass dies mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden möglich sein wird. Denn dessen Vorgänger Donald Trump war ein scharfer Kritiker der WTO und hat dafür gesorgt, dass diese de facto handlungsunfähig ist.

In Interviews mit mehreren Medien sagte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis, das Pariser Klima-Abkommen von 2015 solle ein wichtiger Gegenstand in künftigen Handelsgesprächen werden. Die Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) solle sich zu Zielen für Klimaneutralität bekennen, zitierte die "Financial Times" den Letten. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, kritisierte, dass die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes trotz des EU-Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten weitergehe.

Die USA wollen unter Biden zum Pariser Abkommen zurückkehren. Trump hatte es gekündigt und auf G20-Ebene regelmäßig Klimabekenntnisse in den Abschlussdokumenten verhindert oder abgeschwächt. Der Republikaner hatte zudem einen Handelsstreit angezettelt und vor allem China mit höheren Zöllen belegt. Gegenmaßnahmen waren die Folge.

Dombrovskis sagte laut "Politico", die EU müsse sich stärker verteidigen, wenn andere sich nicht an Regeln hielten. Die EU werde deswegen bestimmter in den Verhandlungen auftreten. Das ist eine Reaktion auf die "Amerika zuerst"-Politik von Trump, von der manche Experten fürchten, dass sie sich unter Biden fortsetzen könnte, wenn auch freundlicher im Ton. Die EU betonte, auf ein Signal aus Washington zu warten. Biden hatte zuletzt allgemein eine stärkere internationale Zusammenarbeit in Aussicht gestellt.

"Die EU-Kommission sollte bei nächster Gelegenheit den USA ein Moratorium aller gegenseitigen Handelssanktionen vorschlagen", sagte die CDU-Politikerin Katja Leikert. "Wir brauchen positive Signale, die Vertrauen schaffen." Die Präsidentin des deutschen Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, betonte: "Wichtig ist, dass die neue Ausrichtung nicht zu protektionistischen Maßnahmen führt. Deshalb sollte für jede Maßnahme eine Folgenabschätzung vorgenommen werden." Der Industrieverband BDI begrüßte die EU-Pläne, mahnte aber eine Umsetzung mit Augenmaß an. "Wichtig ist es, unsere Unternehmen gegenüber Wettbewerbern aus weniger ehrgeizigen Ländern nicht zu benachteiligen."

Die EU hatte China zuletzt immer wieder vorgeworfen, seine Märkte nicht im gleichen Maße zu öffnen, wie die EU es für Firmen aus der Volksrepublik macht. Außerdem verzerren wegen hoher Subventionen chinesische Staatskonzerne den Wettbewerb, so ein häufiger Vorwurf. In der Handelsstrategie gebe es leider nur wenig Ansätze, wie die EU neue Absatzmärkte in Asien erschließen möchte, so Leikert. "China ist dabei, seine Standards auf wichtigen Märkten wie in Asien und Afrika durchzusetzen. Es reicht daher für Europa nicht aus, auf bewährte Partnerschaften zu setzen."

NIGERIANERIN SOLL WTO NEUES LEBEN EINHAUCHEN

Die WTO hat 164 Mitgliedsländer und soll Regeln für den weltweiten Handel etablieren sowie Streitfälle schlichten. Doch die Organisation ist zerstritten und hat in den vergangenen Jahren keine global verbindlichen Absprachen zustande bekommen, etwa zum digitalen Handel. Trump hatte die Neubesetzung wichtiger Richterposten am Berufungsgericht der WTO blockiert. Viele Mitglieder fordern eine Reform der WTO, die auch dem größeren Einfluss Chinas in der Welt Rechnung trägt.

Diese schwierige Aufgabe soll die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala lösen. Sie wurde diese Woche nach monatelangem Führungsvakuum an die Spitze der WTO gewählt - als erste Frau und Afrikanerin. Die US-Blockade werde nicht schnell und einfach aufgehoben werden, sagte sie der FAZ. "Aber ich glaube, dass es unter Biden einen größeren Willen gibt, die Probleme zu lösen und konstruktiv mit anderen WTO-Mitgliedern an diesem Ziel zu arbeiten." Berufungsverfahren müssten zudem beschleunigt werden. "Diese sollten eigentlich in 90 Tagen abgeschlossen sein, dauern aber zuweilen zwei oder drei Jahre."