Reuters

Erstes Urteil nach Sicherheitsgesetz - Neun Jahre Haft für Hongkonger

30.07.2021
um 11:07 Uhr

Hongkong (Reuters) - In Hongkong ist im ersten Urteil über Regierungskritiker seit dem Erlass des umstrittenen Sicherheitsgesetzes eine langjährige Haftstrafe verhängt worden.

Die Richter verurteilten den ehemaligen Kellner Tong Ying Kit in dem wegweisenden Prozess am Freitag zu einer neunjährigen Gefängnisstrafe wegen Terrorismus und Anstiftung zur Abspaltung der ehemaligen britischen Kolonie von China. "Wir sind der Auffassung, dass diese Gesamtstrafe die Schuld des Angeklagten an den beiden Straftaten und die Abscheu der Gesellschaft hinreichend widerspiegeln und gleichzeitig die erforderliche Abschreckungswirkung erzielen sollte", erklärten sie zur Begründung. Tongs Anwalt will das Urteil anfechten.

Tong war vorgeworfen worden, am 1. Juli 2020 mit seinem Motorrad und einem Banner mit dem Slogan "Befreit Hongkong, Revolution unserer Zeit" drei Bereitschaftspolizisten angefahren zu haben. Bereits am Dienstag hatten die Richter Tong für schuldig befunden, aber das Strafmaß noch nicht verkündet. Richterin Esther Toh hatte den Schuldspruch unter anderem damit begründet, das Motto sei geeignet, andere Menschen zur Sezession anzustiften. Tong habe der Gesellschaft großen Schaden zugefügt.

Die Gefangenen-Hilfsorganisation Amnesty International (ai) wertete das Urteil als Beleg dafür, dass das Sicherheitsgesetz Regierungskritiker nicht nur verängstigen solle. "Es ist auch eine Waffe, die benutzt werden wird, um sie einzukerkern", erklärte ai-Regionaldirektorin Yamini Mishra.

Toh und die beiden weiteren Richter waren von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam für Fälle mit Bezug zur nationalen Sicherheit eingesetzt worden. Sie verweigerten Tong aus Gründen der nationalen Sicherheit eine Freilassung auf Kaution. Außerdem gewährten sie ihm keinen Geschworenenprozess, weil sie "ein Risiko für die persönliche Sicherheit der Geschworenen und ihrer Familienangehörigen" und für die "ordnungsgemäße Rechtspflege" sahen.

Der Slogan auf Tongs Banner war während der Massenproteste 2019 gegen die wachsende Einflussnahme der chinesischen Regierung in Hongkong allgegenwärtig. Er wurde in den Straßen skandiert, im Internet verbreitet, an Wände gesprüht und als Aufdruck oder als Sticker getragen.

Das Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone Hongkong war auf Druck der chinesischen Regierung Mitte vergangenen Jahres in Kraft getreten, kurz bevor Tong sich aus Sicht des Gerichts bei den Protesten strafbar gemacht hat. Es gilt als massivster Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. Amnesty International kritisierte das Gesetz als Mittel, um "Zensur, Schikanen, Verhaftungen und Verfolgungen zu rechtfertigen, die die Menschenrechte verletzen".