Reuters

Rennen kurz vor Bundestagswahl offen - SPD in Umfragen knapp vorn

24.09.2021
um 17:47 Uhr

Berlin (Reuters) - Zwei Tage vor der Bundestagswahl ist das Rennen völlig offen.

In letzten Umfragen behauptete die SPD ihre knappe Führung, die Union konnte den Rückstand aber verringern. Mehrere Regierungsoptionen dürften möglich sein, es wird mit schwierigen Verhandlungen gerechnet. Womöglich werde am Sonntag noch nicht klar sein, wer der nächste Kanzler wird, sagte Unions-Kandidat Armin Laschet am Freitag in Berlin. Die FDP warb für eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen.

Auf mehreren größeren Wahlkampfveranstaltungen versuchten die Parteien mit viel eigener Prominenz noch unentschlossene Wähler zu überzeugen und ihre Anhänger zu mobilisieren. "Wir brauchen einen Aufbruch für Deutschland. Wir brauchen einen Regierungswechsel", sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Köln. Steuersenkungen lehnte er angesichts der hohen Schulden im Zuge der Corona-Krise erneut ab.

Grünen-Co-Chef Robert Habeck sagte in einer kämpferischen Rede in Düsseldorf, die nächste Regierung müsse endlich Antworten auf die Klimakrise geben. Es gelte, Verantwortung zu übernehmen und sich nicht hinter anderen in der Regierung zu verstecken. Klimaschutz helfe der Wirtschaft. "Es sind keine Gegensätze mehr." Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, es gehe jetzt ums Machen. "Wir haben kein Erkenntnisproblem." Es gehe bei der Wahl um alles. "Wir können uns ein Abwarten nicht länger leisten." Deutschland müsse sich erneuern.

Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei der Abschlussveranstaltung der Union in München, viele Menschen entschieden sich erst sehr spät, deshalb müsse die Union weiter kämpfen. "Es ist eben nicht egal, wer regiert", betonte sie. "In diesem Wahlkampf ist sehr viel übers Verteilen geredet worden, aber sehr wenig über das Erwirtschaften."

SPD IN ALLENSBACH-UMFRAGE NUR EINEN PUNKT VOR UNION

Besonders knapp liegen SPD und Union in einer Allensbach-Umfrage für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zusammen. Die Sozialdemokraten geben hier einen Punkt ab auf 26 Prozent, CDU/CSU verharren bei 25 Prozent. Die Grünen legen um 0,5 Punkte auf 16 Prozent zu, die FDP gewinnt einen Punkt auf 10,5 Prozent. Die AfD verliert hingegen einen Punkt auf zehn Prozent und auch die Linkspartei gibt einen Punkt ab auf nur noch fünf Prozent. Im ZDF-Politbarometer, das auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen beruht, kommt die SPD weiterhin auf 25 Prozent. Die Union legt einen Punkt auf 23 Punkte zu, die Grünen sind leicht verbessert bei 16,5 Prozent. Die FDP folgt mit elf Prozent vor der AfD mit zehn und den Linken mit sechs Prozent.

In einer Forsa-Umfrage für RTL/ntv bleibt die SPD mit 25 Prozent drei Punkte vor CDU und CSU. Hier kommen die Grünen auf 17 Prozent, die FDP auf zwölf Prozent, die AfD auf zehn und die Linke auf sechs Prozent. Laut Forsa sind folgende Koalitionen möglich: SPD und Union, SPD mit Grünen und FDP, SPD mit Grünen und Linken sowie die Union mit Grünen und FDP.

FDP-Chef Christian Lindner sagte im ZDF, ein Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen sei leichter zu erreichen als eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. "Deshalb setze ich eher auf Jamaika, wenn es geht." Die Grünen betonten, Jamaika-Verhandlungen dürften nicht wie vor vier Jahren ablaufen, als die FDP am Ende die Reißleine zog. Habeck sagte, vor vier Jahren seien die Jamaika-Verhandlungen ein "einziges Gewürge gewesen". Die FDP habe damals nicht wirklich gewollt, die Union sei zerstritten gewesen, es habe immer wieder Querschüsse der CSU aus München gegeben. "So kann es nicht noch mal gehen." Am liebsten wäre den Grünen laut Habeck ein Bündnis nur mit der SPD. Dieses könne schnell gebildet werden und wäre auch stabil. Dafür gibt es momentan allerdings laut Umfragen keine Mehrheit.

WIRD DER ZWEITPLATZIERTE KANZLER?

Laschet betonte bei "Bild" die Bedeutung der Wahl für das Ausland. "Ganz Europa schaut auf diese deutsche Wahl. Und alle wollen, dass dieses Deutschland stark bleibt, wirtschaftlich stark bleibt", sagte er. Angesichts der knappen Umfragen gilt es auch als denkbar, dass der Zweitplatzierte eine Regierung bilden könnte. "Kanzler wird man in Deutschland, wenn man eine Mehrheit im Deutschen Bundestag für seine Politik gewinnt", unterstrich Laschet. Im ZDF sagte er, Ziel sei es weiterhin, Platz eins noch zu erobern. "Ich tue alles, dass wir eine bürgerlich geführte Regierung bekommen. Am Ende müssten die Programme der Parteien übereinstimmen. Er rechne damit, dass versucht werde, ein Linksbündnis zu schmieden, sollte dieses rechnerisch möglich sein.

Scholz hat zwar ein Linksbündnis nicht ausgeschlossen, dafür aber klare Kriterien genannt - wie ein Bekenntnis zur Nato, zur Partnerschaft mit den USA, soliden Finanzen und einer starken EU. Die Linke steht laut Spitzenkandidatin Janine Wissler für eine Regierung mit SPD und Grünen bereit, sofern ein Politikwechsel in Deutschland möglich ist. "Wir wollen vor allem Veränderungen." Die Linke wolle unter anderem einen höheren Mindestlohn und Schutzmaßnahmen gegen stark steigende Mieten durchsetzen. Angesprochen auf ein Bekenntnis zur Nato sagte Wissler, es gehe jetzt nicht um Bekenntnisse, Deutschland könne ohnehin das Verteidigungsbündnis nicht alleine auflösen. Die Linke lehne aber höhere Ausgaben für die Bundeswehr ab und wolle Waffenexporte stoppen.