Reuters

Deutschland droht Ziel von 100 Millionen Impfdosen-Spenden zu reißen

19.10.2021
um 12:12 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Deutschland wird in diesem Jahr womöglich nicht die versprochenen 100 Millionen Corona-Impfdosen an ärmere Ländern spenden können - und macht den Herstellern der Impfstoffe deshalb schwere Vorwürfe.

In einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Brief an die neue EU-Gesundheitsbehörde Hera wird davor gewarnt, dass bürokratische Hürden, Preisfestsetzungen und wenig planbare Liefermengen dafür sorgen, dass die Spenden nicht wie gewünscht abfließen könnten. "Während sich in vielen Mitgliedstaaten derzeit Impfstoff-Überschüsse aufbauen, zeichnet sich global eine Notfallsituation bei den Verteilungen ab - bei der einigen Ländern droht, große Mengen an wertvollen Impfstoffen wegwerfen zu müssen, während diese in anderen Teilen der Welt dringend gebraucht werden", warnte Staatssekretär Thomas Steffen in einem Brief an den Hera-Direktor Pierre Delsaux. Hera untersteht der EU-Kommission.

Als Grund nennt Steffen, dass man bei den Spenden auf "anhaltend bürokratische, logistische und rechtliche Probleme" treffe. Die Hersteller wollten EU-Mitgliedstaaten und Empfängerländern Bedingungen für die Nutzung der Impfstoffe diktieren, "was eine schnelle Antwort auf internationale Anfragen nach Hilfe fast unmöglich macht". Zudem störten die Änderungen in den Liefermengen und die Verfallsdaten der Impfstoff-Dosen eine verlässliche Planung.

Steffen begründet sein Warnschreiben damit, dass alle spendenden EU-Staaten in einer ähnlichen Situation seien. Deshalb ruft das Bundesgesundheitsministerium die EU-Kommission auf, den Druck auf die Hersteller zu erhöhen, sich bei den Spenden und dem Weiterverkauf flexibler zu zeigen. Dies schließe auch ein, dass man die zu restriktiven Bedingungen neu verhandeln müsse, die beim Ankauf der Impfstoffe vereinbart worden seien. Die EU-Kommission hatte die Verhandlungen über die Bestellung der Corona-Impfstoffe für die EU-Länder geführt.

Steffen kündigte an, dass von den geplanten 100 Millionen zu spendenden Impfdosen nur bis zu maximal 50 Millionen Dosen von den Herstellern AstraZeneca und Johnson & Johnson stammen könnten. Grund seien die Lieferankündigungen der Hersteller. Diese Vektor-Impfstoffe gelten als leichter transportierbar und lagerbar. Man müsse auch mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und vor allem von Moderna spenden.

Die Bundesregierung hatte angekündigt, dass sie bis Ende des Jahres 100 Millionen Impfdosen an ärmere Länder abgeben werde. Das Auswärtige Amt hatte am 9. Oktober angegeben, dass Deutschland bis dahin gut 13 Millionen Dosen an 15 Länder gespendet habe. Davon wurden 7,3 Millionen bilateral abgegeben und 5,7 Millionen Impfdosen über die internationale Impfallianz Covax. Davon wiederum gingen zuletzt unter anderem 790.000 Dosen an Bangladesch, 386.400 nach Ghana, 300.000 nach Botswana, 272.640 an die Elfenbeinküste und 117.120 an Ägypten.

Zu den Spenden der Impfdosen kommt die deutsche Finanzierung für Covax. Dort ist Deutschland der zweitgrößte Geldgeber. Der deutsche Beitrag soll den Ankauf und die Weitergabe von mehreren hundert Millionen Impfdosen ermöglichen. Die Bundesregierung unterstützt zudem den Aufbau von Impfstoff-Fabriken etwa von Biontech in Afrika, lehnt aber eine Freigabe der Impfstoff-Patente ab.