Reuters

Deutschland rechnet mit schnellem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands

17.05.2022
um 17:52 Uhr

- von Andreas Rinke und Natalia Zinets

Berlin/Kiew (Reuters) - Deutschland rechnet trotz der Widerstände der Türkei mit einem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands.

Er sei sehr zuversichtlich, dass beide Länder rasch aufgenommen werden könnten, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag in Berlin. Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich für ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren aus, um die Frist zwischen Antrag und Aufnahme möglichst kurz zu halten. In der Ukraine gaben unterdessen nach Monaten erbitterter Kämpfe ukrainische Truppen ihre letzte Bastion in Mariupol auf.

Scholz und Baerbock gaben den skandinavischen Ländern eine Sicherheitsgarantie für den Übergangszeitraum bis zur Nato-Mitgliedschaft. Einer Aufnahme der beiden Länder müssten alle Nato-Mitglieder zustimmen, also auch die Türkei. Am Montag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Schweden und Finnland erneut vorgeworfen, Mitglieder terroristischer Gruppen zu beherbergen. Er verwies dabei auf die Kurdische Arbeiterpartei PKK.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte im ZDF, Erdogan gehe es nicht wirklich um die angebliche Unterstützung terroristischer Gruppen. Vielmehr wolle er Zugeständnisse beim Kauf von US-Kampfjets erreichen. Erdogan setze darauf, dass der Erwerb der Jets doch noch zustande komme, der nach der Anschaffung eines russischen Luftabwehrsystems durch die Türkei von der Regierung in Washington gestoppt worden war.

Nach Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich auch Verteidigungsminister Sergej Lawrow mit Blick auf eine Norderweiterung der Nato gelassen. Ein Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands mache vermutlich keinen großen Unterschied, weil beide Länder schon lange an Nato-Manövern beteiligt gewesen seien, sagte Lawrow.

UKRAINER GEBEN STAHLWERK IN MARIUPOL AUF

In Mariupol gaben ukrainische Truppen das Stahlwerk Asowstal auf, der letzte von ihnen gehaltene Teil der Stadt. Damit überließen sie russischen Truppen die Kontrolle über die weitgehend zerstörte Hafenstadt. Die in dem riesigen Werksgelände verschanzten Soldaten waren zum Sinnbild für den Widerstand gegen die Invasoren geworden. Nachdem Zivilisten, die dort ebenfalls ausgeharrt hatten, in Sicherheit gebracht worden waren, folgten nach Angaben der Ukraine mehr als 250 Kämpfer. Mindestens sieben Busse besetzt mit ukrainischen Soldaten verließen einem Reuters-Mitarbeiter zufolge unter Begleitung von prorussischen Truppen das Stahlwerk. Nach russischen Angaben hatten sich 265 Soldaten ergeben. Wie mit ihnen verfahren werden soll, war zunächst unklar.

Im übrigen Land wurde weiter gekämpft. Russland zerstörte eigenen Angaben zufolge im Westen der Ukraine Waffenlieferungen aus den USA und Europa. Raketen hätten Ziele in der Region um Lwiw getroffen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj meldete massiven russischen Beschuss der gesamten Frontlinie rund um Donezk, sowie Raketenangriffe in der Region Tschernihiw. Russische Attacken gab es demnach auch rund um die Hauptstadt Kiew sowie bei Lwiw im Westen nahe der polnischen Grenze.

In der westrussischen Provinz Kursk an der Grenze zur Ukraine geriet nach Angaben der Behörden ein Dorf unter ukrainischen Beschuss. Russische Grenzsoldaten hätten das Feuer erwidert. Informationen zum Kampfgeschehen können oft unabhängig nicht bestätigt werden. Russland spricht bei seinem Vorgehen in der Ukraine von einer "Spezialoperation". Der Westen und die Ukraine kritisieren dagegen einen Angriffskrieg und massive Menschenrechtsverletzungen durch die im 24. Februar in die Ukraine eingerückten russischen Truppen.

Scholz und Selenskyj pochten auf einen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. "Sie waren sich einig, dass eine diplomatische Verhandlungslösung zwischen der Ukraine und Russland ein umgehendes Ende der Kampfhandlungen seitens Russland und ein Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine erfordere", teilte ein Regierungssprecher in Berlin nach einem Telefonat des Kanzlers mit dem Präsidenten mit. Beide wollten weiter eng in Kontakt bleiben.