Reuters

Deutsche Banken fürchten Rezession und wollen deutlichere Zinsanhebung

04.07.2022
um 18:02 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Banken in Deutschland sorgen sich immer mehr um eine drohende Rezession. Die Geldhäuser befürchten, dass die mögliche Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) bei ihrer nächsten Ratssitzung nicht ausreichen wird, um der Inflation entgegenzuwirken. "Der anhaltende Preisdruck hat ein enormes disruptives Potenzial, und er erhöht das Risiko einer globalen Rezession im nächsten Jahr," sagte Deutsche-Bank-Chef Sewing am Montag auf der Branchenkonferenz Eurofinance Summit in Frankfurt. "Ich kann nicht verleugnen, dass ich mir Sorgen darüber mache, was uns in den nächsten 12 Monaten bevorsteht."

Über die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in der zweiten Jahreshälfte 2023 hat der Deutsche-Bank-Chef in den vergangenen Wochen bei diversen Branchenkonferenzen gesprochen. Es gebe ein seltenes Zusammenspiel von Risikofaktoren, darunter der Russland-Krieg, die Energiekrise, die Pandemie und die Inflation. "Wir steuern auf ein Jahrzehnt hoher Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität zu," sagte er am Montag.

Auch andere Banken in Deutschland bereiten sich auf die Möglichkeit einer Rezession vor. "Wir rechnen mit einer realen Rezession, wenn Gaslieferungen gestoppt werden," sagte Jan Holthusen, leitender Volkswirt bei der DZ Bank, auf dem Eurofinance Summit. Holthusen sagte, er gehe davon aus, dass die Inflationsrate in den kommenden Jahren auch nur langsam wieder sinken würde.

Die negative Konjunkturprognose führte zu einem Einbruch der Aktienkurse der Deutschen Bank und der Commerzbank um 20 Prozent im vergangenen Monat. Aktienkurse von europäischen Banken fielen dagegen im Durchschnitt nur um 8,3 Prozent. Das Risiko einer Banken- oder einer Eurokrise sahen die Banken an der Eurofinance Summit jedoch nicht. Die Geldhäuser seien auf eine Krise besser vorbereitet als vor der Finanzkrise 2008, sagte die Finanzchefin der Commerzbank, Bettina Orlopp. Die aktuelle Krise sei allerdings genauso so schwerwiegend wie damals die Eurokrise, sagte Orlopp.

Sewing hält vor dem Hintergrund der anhaltender Inflation eine baldige Leitzinserhöhung für unabdingbar. "Wir wünschen uns auch von der EZB, dass sie nun schneller als bislang angekündigt die Zinsen erhöht", sagte der Deutsche-Bank-Chef. Volkswirte der DekaBank und ING Deutschland sprachen sich für eine signifikantere Erhöhung des Leitzinses aus als die prognostizierten 25 Basispunkte. "Im September, wenn wir uns schon in einer Rezession befinden, wird es für die EZB schwer sein, die Entscheidung von nur 25 Basispunkten zu erklären," sagte Carsten Brzeski, Chef-Volkswirt bei ING Deutschland.

(Bericht von Marta Orosz und Tom Sims. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)