Reuters

Überraschende Zinssenkung in China verunsichert Anleger

15.08.2022
um 12:17 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die überraschende Zinssenkung in China hat die Sommerlaune der Anleger in Europa etwas eingetrübt und Konjunktursorgen neu angefacht.

Nach einem freundlichen Handelsstart trat der Dax am Montag bei 13.800 Punkten auf der Stelle. Der EuroStoxx50 notierte etwas fester bei 3783 Zählern. Zwar sei jede geldpolitische Lockerung wie zuletzt die in der Volksrepublik positiv für den Aktienmarkt, sagte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. "Andererseits kommen aber auch wieder Konjunktursorgen auf, wenn die Notenbank inmitten hoher Inflationsraten die konjunkturelle Lage möglicherweise dramatischer einschätzt als die Börse und deshalb mit diesem Schritt reagiert."

Chinas Zentralbank stemmt sich mit der überraschenden Senkung wichtiger Zinssätze gegen die Konjunkturflaute im Zuge der Corona-Krise. Sowohl die Einzelhandelsumsätze als auch die Industrieproduktion waren in der Volksrepublik im Juli hinter den Erwartungen zurückgeblieben. "Dies sind weitere Anzeichen dafür, dass die Wachstumsdynamik nach dem Schanghai-Lockdown rasch nachlässt", sagte Alvin Tan, Stratege beim Finanzhaus RBC. "Die Geldpolitik verliert an Zugkraft, abgesehen möglicherweise vom Wechselkurs, wobei die Exporte der einzige Lichtblick in der Wirtschaft sind."

ROHSTOFFE UNTER DRUCK - DOLLAR LEGT ZU

Die schwachen China-Daten setzten auch Rohstoffe unter Druck. Die Preise für Eisenerz gaben in der Volksrepublik um 2,9 Prozent auf 707,50 Yuan (104,64 Dollar) je Tonne nach. Investoren fürchteten eine Nachfrageflaute, auch weil die chinesische Regierung keine Anzeichen zeigt, von der strikten Null-Covid-Politik, die immer wieder zu regionalen Lockdowns führt, abzuweichen. Die enttäuschenden Daten spiegeln Börsianern zufolge zudem die Auswirkungen der Krise wider, in der sich Chinas Bauträger befinden. Wegen der geringen Nachfrage drosselten die Stahlproduzenten im Juli ihre Produktion. Zugleich fielen die Immobilieninvestitionen von Januar bis Juli so schnell wie seit März 2020 nicht mehr.

Am Devisenmarkt setzten Investoren unterdessen auf den Dollar, der als "sicherer Hafen" gilt. Der Dollar-Index zog gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen um 0,5 Prozent auf einen Wert von 106,26. Im Gegenzug gab der Euro um knapp 0,6 Prozent auf 1,0198 Dollar nach. "Der Euro nähert sich nach dem Anstieg in der vergangenen Woche langsam wieder der Parität", sagte Analyst Jens Nærvig Pedersen von der DanskeBank. Es sei für die US-Notenbank zu früh, bei den Zinserhöhungen zu bremsen. Der etwas nachlassende Preisdruck in den USA hatte vergangene Woche Spekulationen angeheizt, dass die Fed das Tempo im Zinserhöhungszyklus etwas zurückfahren könnte.

VON CHINA ABHÄNGIGE BRANCHEN UNTER DRUCK

Unter Druck gerieten vor allem stark von China abhängige Branchen. So gaben die Indizes der Automobilhersteller und der Bergbaukonzerne rund ein Prozent nach. Für Auftrieb sorgten dagegen Aktien aus dem Gesundheitswesen. AstraZeneca legte an der Börse in London nach positiven Studienergebnissen knapp drei Prozent zu. Der britische Pharmakonzern teilte mit, dass ein gemeinsam mit der japanischen Firma Daiichi Sankyo entwickeltes Krebsmedikament den Verlauf einer Form von fortgeschrittenem Brustkrebs bei bereits behandelten Patienten verzögere.

Mit einem Kurssprung von bis zu rund zehn Prozent setzte sich unterdessen HelloFresh weit von den anderen Werten im Dax ab. Die vorgelegten Ergebnisse des Kochboxen-Versenders hätten "keine zusätzlichen schlechten Nachrichten" enthalten, sagte Analyst William Woods von Bernstein. Positiv sei auch der optimistische Ausblick des Managements für das laufende Jahr sowie die Wiederholung der Prognose für 2025 aufgenommen worden. HelloFresh-Aktien zogen damit auf den höchsten Stand seit einer Prognose-Senkung im vergangenen Monat an.

(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)