Reuters

Studie - Beschäftigte ohne Tarifvertrag verdienen elf Prozent weniger

19.04.2023
um 09:42 Uhr

Berlin (Reuters) - Betriebe mit Tarifvertrag bieten einer Studie zufolge deutliche bessere Arbeitsbedingungen als vergleichbare Unternehmen ohne.

Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten im Mittel wöchentlich 54 Minuten länger und verdienen trotzdem elf Prozent weniger als ihre Kollegen mit Tarifbindung, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht. In Zeiten stark steigender Lebenshaltungskosten verfügten Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben daher eher über ein kleines finanzielles Polster.

Bei den Löhnen sei der Rückstand der tariflosen Betriebe insbesondere in Ostdeutschland sehr ausgeprägt. In Brandenburg verdienen Beschäftigte rund 15 Prozent weniger als jene in vergleichbaren Firmen mit Tarifvertrag. In Sachsen-Anhalt beträgt der Rückstand 14 Prozent. "Um auf ein volles Jahresgehalt ihrer Kolleg*innen mit Tarifvertrag zu kommen, müssen Beschäftigte in tariflosen Betrieben hier also bis in den März des Folgejahres hineinarbeiten", lautet das Fazit.

Bei der Arbeitszeit seien hingegen die Unterschiede in Westdeutschland besonders eklatant. Die Gewerkschaften haben hier bereits in den 1980er und frühen 1990er Jahren deutliche Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen können, die aber nur auf tarifgebundene Betriebe Anwendung finden. Am größten ist die Differenz demnach in Baden-Württemberg, wo Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen regulär fast anderthalb Stunden (87 Minuten) pro Woche zusätzlich arbeiten. In Bremen und dem Saarland sind es jeweils etwa eine Stunde. Über das Jahr gesehen entspreche dies mehr als einer zusätzlichen Arbeitswoche.

Allerdings hat die Tarifbindung seit der Jahrtausendwende deutlich abgenommen. Während im Jahr 2000 noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten (68 Prozent) in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt waren, lag dieser Anteil 2021 nur noch bei gut der Hälfte (52 Prozent), so die Studie. Innerhalb Deutschlands gibt es demnach ein deutliches West?Ost-Gefälle: So lag der Anteil der tarifgebundenen Arbeitsplätze in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen noch zwischen 59 und 55 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Brandenburg und Thüringen kommen den Angaben nach hingegen nur noch auf einen Anteil von 41 bis 46 Prozent tarifgebundener Arbeitsplätze.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Rüttger - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)